Verordnung zur Rassismusbekämpfung: Neuer Versuch mit alten Normen
Die Bremer Justizsenatorin will Rassismus und Antisemitismus in der Strafverfolgung bekämpfen. Aber ihre Verordnung bringt wenig Neues.

Laut der Verfügung, die auf bestehende Normen aus dem Strafrecht verweist, sollen Ermittlungen zu rassistischen oder antisemitischen Straftaten schwerer einzustellen sein. In Fällen von sogenannten Antragsdelikten, bei denen die Staatsanwaltschaft eigentlich nur auf Antrag der verletzten Person tätig wird, wie etwa bei einer Beleidigung, soll bei einem rassistischen oder antisemitischen Motiv grundsätzlich auch von Amts wegen zu ermitteln sein.
Ein weiterer Punkt: Justizbeamt:innen werden auf einen sensiblen Umgang mit Zeug:innen besonders in diesen Verfahren hingewiesen. Auch eine Berichtspflicht für diese Straftaten wird festgelegt. Und rassistisch und antisemitisch motivierte Anschlägen auf Personen und Gebäude seien stets als Eilsachen zu behandeln.
Weiterhin sollen rassistische und antisemitische Äußerungen innerhalb der Justiz an die Senatorin gemeldet werden. Und schließlich verweist die Verfügung auf Angebote zur Fortbildung.
Damit adressiert die Verfügung das Problem antisemitischer und rassistischer Gewalt, trägt aber im Grunde wenig Neues zur bestehenden Rechtslage bei. Jan Sürig, der als Rechtsanwalt für Strafrecht und Migrationsrecht in Bremen tätig ist, führt aus, es handele sich eher um „eine Zusammenfassung von teilweise jahrzehntelang bestehenden Normen“. Einzig die Berichtspflicht und die Charakterisierung als Eilsache seien neu.
Es fehlt an Sensibilisierung
Dass die Verfügung keine große Neuerung ist, wird auch seitens der Pressestelle der Senatorin eingeräumt. Das Neue sei eher die Zusammenstellung der Regelungen, die den Fachkräften als Leitfaden an die Hand gegeben werde. So gebe es „klare Hinweise an die Staatsanwaltschaft, was zum Beispiel die Einstellung der Verfahren angeht“.
Ausschlaggebend für den Schritt seien unter anderem die rassistischen und sexistischen Aktionen in der Bremer Feuerwehr sowie die rechten Brandanschläge auf das Jugendzentrum „Friese“ gewesen. Die Allgemeinverfügung sei ein Appell an die Justiz. Denn Rechtsterrorismus sei das, was die Demokratie am meisten bedrohe.
Viele Bestimmungen, auf die die Verfügung verweist, setzen da an, wo ein rassistisches oder antisemitisches Motiv in Betracht gezogen wird. Doch Antisemitismus werde häufig bei der Strafverfolgung gar nicht erkannt, problematisiert Helge Regner von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Niedersachsen.
Er sieht das anzugehende Problem deshalb schon vor der Strafverfolgung. „Wir haben außerdem oft gehört, dass man sich selten und ungern an die Polizei wendet“, meint Regner. Denn dort erlebten Betroffene von Antisemitismus oft unempathische und uninformierte Reaktionen.
Auch Jan Sürig sieht im Identifizieren des Rassismus und Antisemitismus das drängendste Problem. Es gebe „Unmengen von Akten, die man liest und ahnt, da steckt Rassismus dahinter“. Aber selbst in Fällen, wo eine Schwarze Person ohne irgendeine Auseinandersetzung im Vorhinein angegriffen wird, würde regelmäßig kein rassistisches Motiv in Betracht gezogen.
Die Verfügung will zwar Angebote zur Sensibilisierung schaffen – doch die sind nur freiwillig. Es sei schwer, eine verpflichtende Teilnahme durchzusetzen, erklärt der Pressesprecher der Justizsenatorin. Er ist aber zuversichtlich: Die bestehenden Angebote würden gerade erweitert und mit Interesse aufgenommen.
Beamt:innen verweigern die Aussage
Ein anderes Ziel der Verfügung ist die Bekämpfung rassistischer und antisemitischer Strukturen innerhalb der Behörden. Die Hoffnung auf dienstrechtliche Konsequenzen teilt Sürig allerdings nicht. Es gebe viele Fälle, in denen Beamt:innen gegen Kolleg:innen die Aussage verweigern, so dass diese keine Konsequenzen erfahren.
Das habe sich zuletzt in der Bamf-Affäre gezeigt. Die Bremer Staatsanwaltschaft hatte dort einseitig gegen Ulrike B. ermittelt und widerrechtlich persönliche Informationen preisgegeben. Die Ermittlungen wurden aber schließlich eingestellt; Die Mitarbeiter:innen der Staatsanwaltschaft hatten nicht gegeneinander ausgesagt.
Die Staatsanwaltschaft möchte sich zur Allgemeinverfügung nicht äußern. Das sei ein politisches Thema. Sie verfolge aber rassistische und antisemitische Straftaten, „egal, ob vor oder nach der Allgemeinverfügung.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!