Vermögensabgabe zulässig: Eurokrise ja, Klimawandel nein
Einmalige Vermögensabgaben sind in Deutschland kein Problem, so ein Gutachten. Sie sind sogar im Grundgesetz vorgesehen. Nur darf es sie nicht zu jedem Anlass geben.
FREIBURG taz | Die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das betont jetzt der renommierte Rechtsprofessor Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer in einem Gutachten für die Gewerkschaft Ver.di.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte eine einmalige Vermögensabgabe von 10 Prozent ins Gespräch gebracht. Damit könnte der Staat 230 Milliarden Euro einnehmen. Bezahlen müssten dabei aber nur Reiche ab einem Vermögen von 250.000 Euro. Eine einmalige Vermögensabgabe fordert auch das Bündnis „Umfairteilen“, dem neben Ver.di und Attac auch mehrere Sozialverbände wie der Paritätische Wohlfahrtsverband angehören. Ver.di hat das Gutachten in Auftrag gegeben, weil in der Politik Unsicherheit besteht.
Verfassungsrechtler Wieland sieht allerdings keine juristischen Probleme bei der Einführung einer Vermögensabgabe. Immerhin ist sie im Grundgesetz als Möglichkeit schon vorgesehen. In Artikel 106 steht, dass „die einmaligen Vermögensabgaben“ dem Bund zufließen – im Unterschied zu einer regelmäßigen Vermögensteuer, deren Aufkommen den Ländern zustünde.
Das Grundgesetz nennt keine Voraussetzungen für die Einführung. Wieland nimmt jedoch an, dass ein „außergewöhnlicher Finanzbedarf des Staates“ gegeben sein muss, der „mit den üblichen Steuereinnahmen nicht oder nur schwer zu bewältigen ist“. Er schließt dies daraus, dass die „einmaligen Vermögensabgaben“ im Grundgesetz direkt neben dem „Lastenausgleich“ stehen, mit dem ab 1952 Kriegsschäden kompensiert wurden.
Laut Wieland könnte zum Beispiel die Eurokrise die Einführung einer Vermögensabgabe rechtfertigen, ebenso die Bankenkrise oder die Energiewende. Dagegen sei der Klimawandel kein geeigneter Anlass, weil er keinen einmaligen Sonderfinanzbedarf auslöst. Bisher gab es angesichts der klaren Verfassungslage unter Juristen kaum Vorbehalte gegen eine Vermögensabgabe. Angesichts zweier Karlsruher Urteile in ähnlichen Fragen herrscht in der Politik allerdings Unsicherheit.
So erklärte das Bundesverfassungsgericht 1984 eine von der damaligen schwarz-gelben Koalition geplante Zwangsanleihe für verfassungswidrig, weil rückzahlbare Zwangsanleihen im Grundgesetz nicht vorgesehen sind. Und 1995 wurde die damalige Vermögensteuer beanstandet, weil Immobilien gegenüber anderem Vermögen zu gering besteuert wurden. Der Bundestag verzichtete auf eine Neueinführung der Vermögenssteuer – die aber jederzeit möglich wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind