Vermisste Afrikanerinnen: Keine Spur, nirgends
Von fünf im Juni verschwundenen nigerianischen Fußballerinnen ist nur eine wieder aufgetaucht. Anzeichen für ein Verbrechen gebe es aber nicht, sagt die Polizei.
BREMEN taz | Im Sommer sind sie verschwunden – und seither nicht wieder aufgetaucht. Von vier jungen Nigerianerinnen fehlt weiterhin jede Spur. Die Polizei fahndet indes nicht nach den Frauen.
Sie gehören zu einer Gruppe von fünf Fußballerinnen. Die waren im Januar, damals 17 bis 19 Jahre alt, gemeinsam nach Bremen gekommen, um in der Mädchenmannschaft des TUS Komet Arsten zu spielen. In Bremen gingen sie zur Schule, besuchten vier Mal die Woche einen Deutsch-Kurs, lernten schwimmen und den Umgang mit Computern. Ende Juni sollten sie den Rückflug antreten – und verschwanden kurz vor der Abreise spurlos. Nur eine der Frauen ist mittlerweile wieder aufgetaucht: Sie stellte einen Asylantrag in München.
Über den Verbleib der vier anderen „hat der Senat keine Erkenntnisse“, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU. Die Polizei aber auch nicht, bis heute, ebenso wenig wie der Pan-Afrikanische Kulturverein in Bremen, auf dessen Initiative hin die Nigerianerinnen einst hierher kamen.
Tala Awolola, der Vorsitzende, hatte 2010 in Süd-Nigeria das Mädchenfußballteam „Moje Queen“ gegründet – um den jungen Frauen eine Perspektive aufzuzeigen, frühe Heirat sowie Frühschwangerschaften zu vermeiden, um Bildung, Sport und Ausbildung zu ermöglichen, das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen zu fördern. 2013 waren erstmalig Spielerinnen der Moje Queens in Bremen – auf Einladung von Werder.
Im November reiste Awolola eigens nach Nigeria. Dort sprach er bei der deutschen Botschaft vor, dort traf er die Eltern der vermissten Frauen – die „entsetzt“ reagierten und „sprachlos“ waren, wie Awolola sagt. Auch, weil die jungen Frauen ihre Bremer Gasteltern offenkundig „angelogen“ hätten. Vorwürfe hätten sie ihm aber nicht gemacht. Ob sie etwas über den Verbleib ihrer Kinder wissen? „Mir haben sie nichts gesagt“, sagt Awolola. Die Rückreise der jungen Frauen nach Nigeria ist „eher unwahrscheinlich“, sagt der Senat – ihre Reisedokumente würden ja hier im Stadtamt verwahrt.
Die Polizei Bremen hat zwar zunächst „Vermisstenanzeigen aufgenommen“ – aber „keine Suchtrupps“ entsandt. Nach Rücksprache mit dem Bundeskriminalamt verzichtet sie auch auf eine direkte Kontaktaufnahme mit den nigerianischen Behörden – „da eine Antwort nicht zu erwarten war“, wie der Senat schreibt. Eine Anfrage nigerianischer Behörden liegt in Deutschland aber auch nicht vor.
Die vier Frauen sind zwar „zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben“, sagt ein Polizeisprecher – aber nicht zur Fahndung. Begründung: Die Frauen seien mittlerweile alle erwachsen und es gebe nach wie vor „keine Anzeichen“ für ein Verbrechen oder Straftaten.
Die Frauen „konnten sich hier gut verständigen und zurechtfinden“, sagt ihr Trainer Sascha Mahler vom TUS Comet Arsten. Am Ende wollten sie offenbar nicht mehr zurück – die Frauen hätten die Hausschlüssel bei ihren Gasteltern gelassen und ihre Facebook-Einträge gelöscht, sagte Mahler. Und vorher? „Gab es nie irgendwelche Hinweise, dass die Frauen abhauen wollen.“
Die Frauen seien in Nigeria „nicht bedroht“, sagte Awolola. Ihre Chancen, in Deutschland Asyl gewährt zu bekommen, sind gering – kaum ein Flüchtling aus Nigeria werde hier anerkannt, sagt Pro Asyl. Dabei seien die Probleme in dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas groß: Korruption, Menschenhandel, Zwangsprostitution, geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen. Zudem hat die anhaltende Krise im Nordosten Nigerias Tausende Menschen gezwungen, ins benachbarte Niger zu fliehen. Doch die dschihadistisch-militante Gruppierung Boko Haram – sie entführte im April mehr als 200 Schülerinnen – ist vor allem im Norden Nigerias vertreten. Die jetzt vermissten Frauen kommen alle aus dem Süden – und Nigeria ist dreimal so groß wie Deutschland.
Das Team „Moje Queen“ besteht derweil weiter, auch der Pan-Afrikanische Kulturverein würde so ein Austauschprojekt „gerne nochmal machen“, sagt Tale Awolola. Von offizieller Seite steht dem offenbar nichts im Wege: „Eine Änderung der Prüfungs- und Entscheidungspraxis der Auslandvertretungen ist derzeit nicht feststellbar und zukünftig nicht zu erwarten“, schreibt der Senat. Und mit Einschränkungen bei sportlichen Wettbewerben oder Austauschprogrammen sei auch nicht zu rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!