Vermenschlichung des Eisbärjungen: Nennt ihn Klaus!
Der Direktor des Tierparks stellt fest: Das Eisbärbaby ist ein Junge. Und schon läuft die Marketingmaschine an. Warum auch nicht, der Tierpark kann das gebrauchen.
Andreas Knieriem ist kein Freund der Vermenschlichung von Tieren. Über sein Verhältnis zu Orang-Utan-Baby Rieke sagte er vor gut anderthalb Jahren: „Es ist mein Los, das professionell zu sehen.“ Als Chef von Zoo und Tierpark müsse er das große Ganze im Blick haben, er wolle deshalb eine besondere emotionale Nähe zu einzelnen Tieren vermeiden. „Ich versuche, im Tier nicht den Menschen zu sehen.“
Aber seit November ist es da, das Eisbärbaby im Tierpark. Und jetzt ist doch alles ein bisschen anders. Knieriem, selbst Tierarzt, ließ es sich am Donnerstag nicht nehmen, die erste Untersuchung des tapsigen Bärenjungen mit durchzuführen – obwohl so etwas normalerweise dem Tierpark-Veterinär obliegt. Der Chef kam also persönlich in die Eisbärbox. Und stellte gemeinsam mit seinen Kollegen fest: Es ist ein Junge.
Auf diese Ansage haben viele gewartet. Und schon läuft sie an, die Vermarktungsmaschine. Wie soll er heißen, der kuschelige Neuberliner? Zahlreiche Medien rufen auf, Vorschläge zu machen. „Der Name soll kurz und knackig sein“, wünscht sich Knieriem in der Berliner Zeitung. Er solle gut zu einem kleine Bären passen, aber auch zu einem ausgewachsenen Tier. „Der erwachsene Bär soll sich nicht dafür schämen.“ Ein „Junge“, der sich als Erwachsener nicht „schämen“ soll – wie war das noch mit der Vermenschlichung?
Schon möglich, dass es dem Naturwissenschaftler Knieriem innerlich widerstrebt. Aber in der Öffentlichkeit spielt er das Spiel mit. Und vielleicht ist ja auch gerade das professionell. Der Tierpark ist deutlich in den Miesen, ein Besucheransturm wie der im Zoo nach Knuts Geburt käme der Ostberliner Einrichtung sehr gelegen. Warum die Sache also nicht befeuern, sozusagen für den guten Zweck?
Und wenn wir schon dabei sind: Wie wäre es mit „Klaus“? Ist kurz, knackig und schließt direkt an Knut an. Außerdem gab es da mal einen Berliner, der knuffig wirkte, in der persönlichen Begegnung durchaus aggressiv werden konnte und der mit Sprüchen wie „Arm, aber sexy“ werbewirksam in Erscheinung trat. Passt doch.
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