Verlust-Airport Frankfurt-Hahn: Flughafen für 1 Euro gekauft
Rheinland-Pfalz zahlt der Fraport AG für den Mehrheitsanteil an Hahn einen Euro. Im letzten Geschäftsjahr wurden dort allerdings 8 Millionen Euro Miese erwirtschaftet.
Für nur einen Euro gab es letzte Woche einen Flughafen zu kaufen. Übrig hatte die Münze das Bundesland Rheinland-Pfalz; und eingesteckt hat das Geld an diesem Wochenende die Frankfurter Fraport AG, Betreibergesellschaft des Rhein-Main-Flughafens. Durch den Kauf des Anteils von 75 Prozent der Fraport AG an der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (FFHG) ist das von der SPD unter Ministerpräsident Kurt Beck regierte Land jetzt mit 82,5 Prozent fast der alleinige Eigentümer des Provinzflughafens im Hunsrück; die restlichen 17,5 Prozent hält das Land Hessen.
Ob das aber ein gutes Geschäft für die Rheinland-Pfälzer war, ist fraglich. Der politisch verantwortliche Minister für Wirtschaft und Verkehr, Hendrik Hering (SPD), glaubt zwar, dass der zu fast 100 Prozent von der irischen Billigfluglinie Ryanair abhängige Airport über ein "enormes Entwicklungs- und Leistungspotenzial" verfügt und spätestens 2016 auch Gewinne abwirft. Aber bisher war der Hahn nur ein "Verlustbringer", wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Stefan Schulte, bei der Unterzeichnung des Ausstiegsvertrags sagte. Schulte war bis jetzt auch Aufsichtsratschef der FFHG. Er hält für unwahrscheinlich, dass der gut 130 Kilometer von Rhein-Main entfernt liegende Flughafen in sieben Jahren schwarze Zahlen schreibt: "Für unseren Ausstieg war vor allem entscheidend, dass wir ab sofort keine Verluste mehr tragen müssen, was bei unserer vertraglichen Bindung bis zum Jahre 2024 sonst eine große Belastung gewesen wäre." Im vergangenen Geschäftsjahr "erwirtschaftete" der Hahn einen Verlust von rund 8 Millionen Euro.
Luftfahrtexperten und Oppositionspolitiker im Landtag von Rheinland-Pfalz mutmaßen, dass sich die Verluste bis 2016 auf 50 Millionen Euro belaufen werden. Diese muss das Land Rheinland-Pfalz voraussichtlich allein stemmen. Hessen will zwar seinen Anteil von 17,5 Prozent halten, sich Verluste aber vertraglich vom Hals halten. Ein Grund für den raschen Rückzug der Fraport AG vom Hahn war auch der geglückte "Erpressungsversuch" (Grüne) von Ryanair. Das irische Unternehmen hat seine deutsche Homebase auf dem Hahn. Es hatte mit dem Abzug seiner Flotte gedroht, falls der "Hahntaler" in Höhe von 3 Euro für alle Passagiere komme. Die Fraport AG wollte mit dem Hahntaler, einer Art Terminalbenutzungsgebühr, Verluste "abfedern". Dann legte das Land Rheinland-Pfalz aber sein Veto ein und damit den Grundstein für den Ausstieg der Fraport AG aus der FFHG. Im Gegenzug gab Ryanair eine (vorläufige) Bestandsgarantie für seine auf dem Hahn stationierte Flotte von zwölf Maschinen ab.
Da das Land Rheinland-Pfalz jetzt de facto der alleinige Betreiber des Billigflughafens ist, steige die "Gefahr der Erpressung durch Ryanair noch", meint etwa die Chefin der Grünen, Steffi Lemke; und auch die FDP hat "schwere Bedenken" geäußert. Die Union beklagt zusätzlich den "Know-how-Verlust" durch den Abgang der Fraport AG.
Die notwendigen Baumaßnahmen für die Verbesserung der Infrastruktur - insbesondere der Ausbau der Zubringerstraßen - kosten das Land schon zusätzliche Millionenbeträge; allein die Erweiterung des Terminals auf dem Hahn schlägt mit 12 Millionen Euro zu Buche.
Die Landesregierung dagegen verteidigt den Kauf der Mehrheitsanteile von der Fraport AG; es habe "keine Alternative gegeben", so Minister Hering. Schließlich stünden im strukturschwachen Hunsrück 6.000 Arbeitsplätze "unmittelbar" auf dem Spiel. Die Zahl der Passagiere auf dem Hahn war im Jahr 2008 auf 4 Millionen gestiegen.
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