: Verliererinnen der Transformation
Die Bilanz ist schon auf den ersten Blick düster: Polnische Frauen haben von der Wende seit 1989 deutlich weniger profitiert als die Männer. Obwohl sie besser ausgebildet sind, sind sie häufiger und länger arbeitslos (siebzig Prozent der Erwerbslosen sind weiblich). Bei Einstellungen werden sie wegen der Möglichkeit, schwanger zu werden, offen diskriminiert.
Die Schere zwischen Frauen- und Männerlöhnen hat sich in den letzten Jahren noch geweitet. Frauen erhalten durchschnittlich ein Viertel für ihre Arbeit weniger. Für soziale Dienstleistungen fehlen öffentliche Gelder, was Frauen doppelt trifft: Typische Frauenberufe in Bildung und Gesundheit sind mies bezahlt.
Für fehlende staatliche Hortplätze muss dann die frühverrentete Großmutter einspringen – oder ein privater Anbieter, wenn frau es sich leisten kann.
Abtreibungen sind verboten. Expertinnen schätzen die illegalen Abbrüche (Kostenpunkt: vierhundert Dollar) auf vierzigtausend im Jahr.
Erst in den Neunzigerjahren bildeten sich in Polen Frauenorganisationen: Sie bieten Beratung und Information zu Arbeit und Qualifikation, zu Recht (Gewalt, Scheidung, Alimente) sowie zu Gesundheit an.
Die Vereinigung polnischer Frauen über 40 hat eine Stellenvermittlung initiiert, bietet Computerkurse und Bewerbungstraining an: Aktiv nach Arbeit zu suchen und sich selbst positiv darzustellen, fällt besonders der im Sozialismus groß gewordenen Generation schwer.
Die Politik der konservativen Regierung seit 1997 ist offen frauenfeindlich: Zuschüsse für Verhütungsmittel wurden gestrichen, es gibt keine Sexualkunde, pränatale Untersuchungen wurden gesetzlich stark eingeschränkt und die Brustkrebspropyhlaxe besonders auf dem Lande ist schlecht.
Nachdem ein fundamentalistischer Katholik Familienbeauftragter wurde, wurde die von der UN mitfinanzierte Kampagne gegen häusliche Gewalt gestoppt – weil sie der Familie schade. Die Regierung hofft, ohne Gleichstellungsgesetze in die EU zu kommen.
Ein Gutes habe diese Politik, so eine Aktivistin: „Alle, die denken können, sind auf unserer Seite. Wir Feministinnen haben aufgehört, die Verrückten zu sein.“ GESINE FUCHS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen