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Verliebt, verlobt...

■ Heiraten im Zeitalter der Camcorder-Revolution: Das ultimative ZDF-Hochzeitsvideo "Der schönste Tag im Leben"

Eine hübsche Hypothese besagt, daß Ehen, die in der RTL-„Traumhochzeit“ besiegelt wurden, scheidungsresistenter sein sollen. Denn dank TV verfügen diese Eheleute über eine verklärende Emotionsstütze: Sie halten das perfekte Hochzeitsvideo in Händen.

Für unsereins hält die filmende Verwandtschaft dagegen vier Stunden ungeschnittene Wackelkamera mit Farbstich auf dem weißem Kleid bereit. Hochzeitsvideos können ein Scheidungsgrund sein, auf jeden Fall aber sind sie unausweichlich. Was zu folgender These führt: Will ein Film etwas über die aktuelle Problematik des Heiratens aussagen, so hat er die Auswirkungen der Camcorder-Revolution mitzudenken.

Dieses und noch viel mehr ist bei dem ZDF-Fernsehfilm „Der schönste Tag im Leben“ gewährleistet. Der Titel ist natürlich ein ironischer, denn der geschilderte Hochzeitstag trägt – fast wie im richtigen Leben – katastrophische Züge. Und gäbe es nicht ein Hochzeitsvideo, welches, mit akkurater Handschrift versehen, genauso wie der Film heißt, das Ehepaar Waltraud (Martina Gedeck) und Ritschi (Heio von Stetten) wären nimmermehr beisammen. So aber hilft das elektronische Gedächtnis zuerst Ritschi bei der Suche nach der entführten Braut und wirkt schließlich sogar Wunder und traumhaft versöhnend. Video bietet hier gleichzeitig Klarheit und Verklärung.

Zu wirklichen Sympathieträgern werden Waltraud und Ritschi auch dadurch, daß sie sicher niemals auf die Idee kämen, in einer TV-Show zu ehelichen. Statt weltvergessen „Nur die Liebe zählt“ zu schluchzen, geht es bei ihnen in voller Härte um „Das ganz normale Chaos der Liebe“. Beide stolpern eher zufällig, mit vagen Hoffnungen und bedrängt von emotionalen Altlasten, dem Hochzeitstag entgegen. Als Waltrauds Eltern dann auf einer Traditionshochzeit im Niederbayerischen bestehen, ist ihnen sogar das recht. Denn auch das wird vorbeigehen und vielleicht sogar ganz schön. So trifft ein zeitgemäß zerbrechliches Beziehungs-Arrangement („ich möchte, wenn du magst...“) auf ein vorkonfektioniertes Weltbild, in der „die Dinge halt so sind und eben so gemacht werden“.

Regisseur Jo Baier („Hölleisengretl“) hat aus diesen Standardkonflikten eine geschmackssichere Komödie gezaubert. Nie opfert er die durchweg liebenswert und fein gezeichneten Figuren der Beziehungsklamotte. Die Buchvorlage ist meilenweit entfernt von sterilen Lifestyle-Komödchen, sondern von der liebevollen Kenntnis der Milieus inspiriert und scheint zudem von soziologischen Studien zum aktuellen Stand der Liebessemantik beatmet. Die Drehbuchautorin Ruth Toma ließ verlauten, es gehe ihr um eine Generation, die alles anders machen wollte als ihre Eltern, aber bisher nicht viel vorzuweisen hat, mit dem sie sich behaupten könne. Tatsächlich? – möchte man ihr entgegnen – so arg wird es schon nicht sein. Denn immerhin kann diese Generation derart reflektiert-prächtige Komödien hervorbringen und wunderschön lichtdurchflutete Hochzeitsvideos im Format 16:9 (Kamera auch hier: Christian Reitz) inszenieren. Jörg Adolph

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