Verkleinerung des Bundestages: Linke klagt gegen Wahlrechtsreform
Die Linkspartei hält die Abschaffung der Grundmandatsklausel für verfassungswidrig. Jetzt geht sie dagegen vor.
Die Linke will vor allem gegen die Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel vorgehen, die bislang sicherstellte, dass direkt gewählte Abgeordnete auch dann in den Bundestag einziehen, wenn ihre Partei die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt.
Mit der Wahlrechtsreform verfallen solche Erststimmen-Mandate künftig, falls eine Partei weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht. Die Linkspartei wäre derzeit direkt davon betroffen: 2021 zog sie dank dreier Direktmandate als Fraktion in den Bundestag ein, obwohl sie nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreichte und damit knapp unter der Sperrklausel von 5 Prozent lag.
„Gesicht und Stimme“ für die Klage soll der ehemalige Partei- und Fraktionschef Gregor Gysi sein. Gysi, der im Nebenberuf auch Rechtsanwalt ist, will sich in Kürze zusammen mit einem Verfassungsrechtler an die Ausfertigung der Klageschrift setzen.
Gysi sieht gute Chancen, auch für sich selbst
Gysi machte an einem plastischen Beispiel deutlich – sich selbst nämlich – warum er gute Chancen für eine Klage sieht. Würde ein parteiunabhäniger Kandidat in einem Wahlkreis antreten und das Direktmandat erringen, wäre sein Einzug in den Bundestag gesichert. Vorausgesetzt, dass seine Partei den Wahlkampf nicht finanziert. „1949 ist das letzte Mal jemand auf diesem Weg gewählt worden, aber ich würde mir das trotzdem zutrauen“, sagte Gysi selbstbewusst. Der Linken-Politiker gewinnt seit mehreren Jahren das Direktmandat im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, auch seine Nebeneinkünfte sind beachtlich.
Als Kandidat der Linkspartei würde Gysi sein Mandat dagegen nicht antreten können, wenn seine Partei nicht den nötigen Zweitstimmenanteil von 5 Prozent erhielte. „Dass nicht die Wähler:innen entscheiden, ob jemand in den Bundestag einzieht, sondern die Art der Aufstellung, ist offensichtlich verfassungswidrig“, ist sich Gysi sicher.
Dabei wollte die Ampel-Regierung gerade mit der Streichung der Grundmandatsklausel dafür sorgen, dass die Reform verfassungsfest ist. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, hatte sich im März auf die zur Anhörung geladenen Expert:innen berufen und behauptet, man habe „die eindeutige Rückmeldung erhalten, dass die Grundmandatsklausel systemwidrig ist“.
Tatsächlich hatten nur wenige Expert:innen die Grundmandatsklausel verfassungsrechtlich für problematisch gehalten, wie eine taz-Recherche zeigte. Die Mehrheit hatte sich auf Nachfrage kurz vor der Abstimmung im Bundestag für eine Beibehaltung der Grundmandatsklausel ausgesprochen.
Die Sitze wurden von 736 auf 630 reduziert
Auch die bayerische Landesregierung und die CSU haben bereits Klagen gegen das neue Wahlrecht in Karlsruhe eingereicht. Die CSU, die in Bayern traditionell viele Wahlkreise direkt gewinnt, wäre ebenfalls nicht im Bundestag vertreten, falls sie bundesweit nicht auf fünf Prozent der Wähler:innenstimmen käme. Man sei miteinander in Kontakt, so die Linken-Vorsitzenden.
Schirdewan macht deutlich, dass seine Partei eine Wahlrechtsreform nicht grundsätzlich ablehne und auch die Verkleinerung des Bundestags für notwendig halte. Noch vor vier Jahren hatte die Linke gemeinsam mit den damaligen Oppositionsparteien Grüne und FDP einen Vorschlag vorgelegt, der eine Reduzierung der Wahlkreise und eine Begrenzung der Parlamentssitze auf 630 vorsah.
Auch das jetzt geltende Wahlgesetz sieht vor, die Zahl der Sitze von derzeit 736 auf 630 reduzieren. Die Ampelfraktionen hatte sie im Frühjahr gegen die Stimmen der Opposition beschlossen. Nach der Unterzeichnung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde sie Dienstag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, ist damit in Kraft und würde für die nächste Bundestagswahl gelten. Wären die Klagen von Linken und CSU allerdings erfolgreich, wäre wohl auch die Wahlrechtsreform nichtig.
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