Verkehrswende in Deutschland: Mehr Geld ist nicht genug
Der Bund gibt Zusatzmittel für ÖPNV und Radverkehr. Doch fehlt es an Personal. Und für Autos gibt's noch weitaus mehr.
„Das finanzielle Engagement des Bundes für den ÖPNV ist noch nie so groß gewesen wie heute“, sagte Oliver Wolf vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Und auch Burkhard Stork, der Vorsitzende des Fahrradklubs ADFC, lobte die zusätzlichen Mittel von 900 Millionen Euro, die in den nächsten vier Jahren im Rahmen des Klimapakets vom Bund für Fahrradinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden: „Für den Radverkehr reicht’s.“
Doch bei der Diskussion wurde schnell klar: Gelöst sind die Probleme durch die zusätzlichen Gelder noch lange nicht. Denn ein großer Teil des Geldes wird nicht ausgegeben. „Die Mittel für Radwege fließen ab wie eine Schnecke“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager. Auch Markus Lewe, Oberbürgermeister von Münster und Vizepräsident des Deutschen Städtetags, beklagte: „Es fehlt das Fachpersonal, um die Gelder zu nutzen.“ Um das zu ändern und mehr Planer*innen einstellen zu können, benötigten die Kommunen langfristige Förderzusagen. Zudem stoße die Umverteilung von Straßenraum oft auf Widerstand berichtete ADFC-Mann Stork. „Da gibt es einen Kulturkampf um jeden einzelnen Parkplatz.“
Getrübt wurde das positive Bild auch von einer Protestaktion von Attac. Nachdem sie bereits vor dem Gebäude auf einem großen Transparent „Mehr Geld für Öffis statt für Autos“ gefordert hatten, überreichten mehrere Aktivist*innen dem Verkehrsminister während der Diskussion einen goldenen Auspuff – „für seine besonderen Verdienste um die deutsche Autoindustrie“, wie Attac erklärte.
Den positiven Zahlen für ÖPNV und Radverkehr stellten die Kritiker die weitaus höhere Förderung des Autoverkehrs gegenüber – etwa durch die erhöhte Kaufprämie für E-Autos, die höhere Pendlerpauschale und das Festhalten am Diesel- und Dienstwagenprivileg. Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar wies auf Twitter zudem darauf hin, dass der Bund nicht nur die Förderung von ÖPNV und Radverkehr erhöht habe, sondern 2020 mit zehn Milliarden Euro auch für Autobahnen und Fernstraßen „so viel wie noch“ nie ausgebe.
Viel Geld für automatisiertes Fahren
Die bisherige Schwerpunktsetzung zeigte sich auch an den zahlreichen vom Verkehrsministerium geförderten Projekten, die im Ministerium auf Schautafeln vorgestellt wurden. Zwar waren darunter auch digitale Fahrradboxen in Mannheim für 420.000 Euro oder Fahrradzählstationen in Stuttgart für 350.000 Euro. Weitaus größere Beträge gingen aber an ein Projekt für automatisiertes Fahren (11,8 Millionen Euro) oder die intelligenten Ampelsteuerung in Rüsselsheim (5 Millionen Euro).
Für die Zukunft immerhin versprach Scheuer eine andere Schwerpunktsetzung, bei der nicht mehr das Auto Vorrang genieße: „Wir kommen gar nicht darum herum, den Verkehrsraum anders aufzuteilen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“