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Verkehrsgesetz in UgandaBußgelder kosten einen halben Monatslohn

In Uganda gibt es ein neues Verkehrsgesetz, eine Reaktion auf eine extrem hohe Todesrate im Land. Wie russische Technik Autofahrer in Kampala schröpft.

Auf Ugandas Straßen ist man vor Willkür nicht mehr sicher, Kampala, 2019 Foto: imago

S tell dir vor, auf dem Verkehrsschild steht als Höchstgeschwindigkeit 50, du fährst nur 45 km/h – wirst aber dennoch geblitzt. Wenige Minuten später piept eine SMS auf deinem Handy: Du musst rund 140 Euro Strafe zahlen – innerhalb der nächsten drei Tage – sonst droht dir der Führerscheinentzug.

Solch aberwitzige Dinge geschehen auf Ugandas Straßen gerade regelmäßig. Der Grund: Im Hau-Ruck-Verfahren wurde jüngst ein neues Verkehrsgesetz durchs Parlament gepeitscht. Transportminister Edward Wamala begründet das mit der extrem hohen Todesrate im Straßenverkehr. Mit rund 5.000 Todesfällen im Jahr 2024 steht Uganda auf der Weltrangliste der tödlichen Unfälle ganz weit oben.

Das Ergebnis: Seit knapp einer Woche sind alle Straßen im innerstädtischen Bereich 30er-Zonen, auf den Überlandstraßen darf man nur noch 100 km/h fahren. Die bislang geltenden Verkehrsschilder mit der Aufschrift 50 stehen aber noch überall. Die Strafsummen bei Verstößen wurden so hoch angesetzt, dass sie für den Großteil der Bevölkerung einen halben Monatslohn kosten.

Teuer investiert hat Ugandas Regierung aber gleichzeitig in ein Überwachungssystem einer russischen Firma, die ohne jeglichen Wettbewerb und obwohl sie in Moskau längst Konkurs angemeldet hat, den Zuschlag bekam. Diese Firma installiert nun Verkehrsüberwachungssysteme und stellt neue Nummernschilder mit eingebautem GPS-Tracker aus, die jeder Autobesitzer bis Jahresende kaufen muss.

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Aufgebrachte Menschen protestieren

Die Ugander sind deshalb auf den Barrikaden. „Die Straße ist so voller Schlaglöcher – hier kann man nicht mal 30 fahren“, brüllt ein aufgebrachter Fahrer die Verkehrspolizistin an, die ihn gestoppt hatte. In dem Moment rauscht ein Konvoi mit einer Regierungslimousine vorbei, ignoriert sogar die rote Ampel – wird aber nicht angehalten. „Das neue System gilt wohl nicht für alle?!“, empört sich der Fahrer, steigt ein und braust davon.

Die Polizistin blickt ihm ratlos hinterher. „Ein Strafsystem – eingebettet in Korruption und Schäbigkeit – wird nun zur neuen Norm“, empört sich Nicholas Sengoba in der Tageszeitung Daily Monitor. Er kommt zu dem Schluss: „Ein Klüngel hat eine Methode entwickelt, wie er die Bevölkerung als finanzielles Jagdgebiet nutzen kann.“ Und warnt vor Massenprotesten.

Jetzt kommt die Regierung ins Straucheln. Ugandas Taxifahrer-Verband hat Sitzproteste für nächste Woche angekündigt. Charles ­Mwanguhya von der Motorrad-Taxi-Firma „Tugende“, die Motorräder gegen Gebühr an arbeitssuchende junge Männer ausgibt, damit sie Lieferdienste übernehmen können, droht der Regierung öffentlich mit „ernsthaften Konsequenzen“.

Russisches Überwachungssystem

Der Korruptionsvorwurf schafft es immer wieder in die Schlagzeilen, wenn es um die russische Firma „Global Security“ geht. Laut deren Vertrag erhält sie in den ersten zehn Jahren 85 Prozent der Einnahmen aus Strafzetteln, um ihre Investitionen wieder hereinzuholen. Erst dann profitiert Ugandas Staatshaushalt davon. Die Firma galt bereits bei Vertragsunterzeichnung als pleite, Wettbewerber im Ausschreibungsverfahren gab es keine. Die Russen gelten mittlerweile als Ugandas beste Freunde, vor allem in den Bereichen Sicherheit und Überwachung.

Immerhin rudert Verkehrsminister Wamala nun zurück. Im Januar 2026 stehen Wahlen an. Auf der Onlineplattform X verkündet er, „nach dem Aufschrei der Bevölkerung“ kurzerhand das Gesetz um einen Monat aufzuheben, um eine „Zahl an Fehlern“ auszuradieren. Die 30-Kilometer-Begrenzung gehe „zu weit“, die Strafgebühren seien zu „harsch“, die 3-Tage-Frist zur Begleichung der Strafen zu „kurz“. Die Widersprüche zwischen den Straßenschildern und dem Gesetz seien zu „verwirrend“, erklärt er.

Die Kommentare unter diesem Post stehen für sich: „Hören Sie auf, die Ugander zu verarschen, und räumen Sie erst mal in Ihrem Haus auf“, bringt es einer auf den Punkt.

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Simone Schlindwein
Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist taz-Korrespondentin für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).
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