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Verkehrsforscher Monheim"Mehdorn schwimmen die Felle davon"

Verkehrsforscher Heiner Monheim sieht einen engen Zusammenhang zwischen Bahnstreik und Privatisierung.

"Die Bahn ist streikanfälliger geworden": Hauptbahnhof in Berlin Bild: dpa
Tarik Ahmia
Interview von Tarik Ahmia

taz: Herr Monheim, welche Folgen hat der Streik der Lokführer für die Privatisierungspläne von Bahnchef Mehdorn?

Heiner Monheim: Mit dem Imageschaden, den der Streik international und national verursacht, schwimmen Herrn Mehdorn die Felle davon. Seine Blütenträume für die Privatisierung werden durch den sich dahinschleppenden Streikdisput deutlich gedämpft. Wo soll jetzt das große Kapital herkommen?

Was hat der Bahnstreik mit der Privatisierung der Bahn zu tun?

Der Streik ist indirekt ein Ergebnis der falsch gemachten Bahnreform von 1994. Solange die Mitarbeiter verbeamtet waren, gab es das Streikthema nicht. Heute dominieren angestellte Lokführer. Damit ist die Bahn streikanfälliger geworden.

Welche Wirkung hätte es, wenn die Lokführer als Folge des Streiks in eine eigene Bahngesellschaft ausgegliedert werden?

Die Filetierung der Bahn würde fortgesetzt. Zu den 230 Tochterunternehmen käme ein weiteres. Mit jeder weiteren Abspaltung sinken die dringend nötigen Synergien. Schon die Trennung der Sparten 1994 machte den integrierten Konzern zur Fiktion.

Die Bahn AG soll sich aber im Wettbewerb behaupten. Wie?

Schienenverkehr ist ein zentraler Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge mit einem verkehrs- und klimapolitischen Auftrag. Den hat der Eigentümer sträflich vernachlässigt. Die Bahn hat viel zu wenig in die Netze der Regionen investiert und die InterRegios abgeschafft. So kam es zu großen Synergieverlusten und Nachfrageeinbrüchen. Aber die Politik guckt seit 12 Jahren dem Rückzug aus der Fläche tatenlos zu. Die Bahnführung macht, was sie will. Eine große verkehrs- und bahnpolitische Debatte hat es seit der Bahnreform nicht gegeben. Es geht immer nur um de Organisation und das Geld. Die Finanzminister haben das Sagen und verspielen mit ihren restriktiven Vorgaben die Zukunft der Bahn.

Was halten Sie verkehrspolitisch für geboten, um den Konflikt zu lösen?

Die Bahn muss den Lokführern ein vernünftiges Angebot machen. Dann darf sich die Politik aber nicht wie üblich von dem Thema abwenden. Bund und Länder müssen endlich eine politische Diskussion darüber führen, wie viel Bahn wir künftig wegen des Klimaschutzes brauchen und wie wir eine Renaissance der Bahn finanzieren wollen: und zwar als staatliche Aufgabe und nicht als privates Investment.

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1 Kommentar

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  • WK
    Werner Klingbiel

    Den Ausführungen des Herrn Monheim ist eigentlich gar nichts mehr hinzuzufügen. Er hat einfach recht und das herrschende Dillema erkannt.

    Das Geeiere der Politik und insbesondere des Herrn Tiefensee, gefangen zwischen Parteidisziplin und dem Amt des Verkehrsministers bei gleichzeitigem Kotau vor Herrn Mehdorn als Eisenbahnracheengel ist das Problem. Herr Struck SPD, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hatte dem SPD Mitglied Hansen schon den integrierten Konzern versprochen. Auch von Herrn Mehdorn und seinem Duzfreund Schröder, sowie deren gemeinsamen Kollegen, ex. Wirtschaftsminister Werner Müller als Aufsichtsratsvorsitzender der DB AG und Spender der Eisenbahnen der Ruhrkohle an Herrn Mehdorn, war bereits die Volksenteignung festgeklopft.

    Und dann kommt eine Gewerkschaft, die Lokführer auch bei privaten Bahnen hat und die zudem vor Herrn Mehdorn nicht auch bedingungslos kapituliert.

    Ob der Streik dem Bahnwesen in Deutschland nun auf längere Sicht tatsächlich nicht sogar genutzt hat mag, Ironie des Schicksals da damit die Privatisierung nach Methode der Energieprofis, Netz und Produktion in einer Hand, wohl kaum mehr möglich ist, die Zukunft lehren.

    Wie Herr Monheim sagt, die Politik muß endlich die Bahn genauso wie die Straßen und die Wasserwege als einen Teil der Daseinsfürsorge begreifen und entsprechend behandeln. Und Daseinsfürsorge in privater Hand geht nicht, das haben schon die Jahre seit 1994 bewiesen, wo das Deutsche Eisenbahnnetz von der DB AG weitgehend in Grund und Boden gefahren wurde, ohne dass, wie jetzt auch beim Streik, der Eigentümer eingriff.

    Keiner käme auf die Idee, die Deutschen Kreisstraßen zu privatisieren und dann darauf zu hoffen, dass die Gewinne sprudeln. Bei der Bahn wollte man von Seiten der SPD bisher dem staunenden Publikum erklären, dass das geht.