Verkehr an den Feiertagen: Bahn in letzten Zügen
Kurz vor dem Fest stellt die Bahn um: Mehr Züge auf Hauptstrecken, weniger auf Nebengleisen. Zuvor hatte die Bahn vor Reisen mit der Bahn gewarnt.
BERLIN taz | Wegen Überfüllung solle man doch lieber auf die Fahrt mit dem Zug verzichten - so schallte es am letzten Wochenende aus den Lautsprechern der Deutschen Bahn. Nun hat das bundeseigene Unternehmen reagiert und seine Fahrpläne umgestellt, um dem Reiseansturm gerecht zu werden. Die einzig mögliche Reaktion, sagen Fahrgastverbände.
Wer in den letzten Tagen von Berlin nach Köln, von Hamburg nach München oder von Frankfurt nach Stuttgart fahren wollte, konnte froh sein, wenn ihm noch ein Stehplatz blieb. Insgesamt 50.000 Menschen mehr warteten täglich an den Bahnsteigen als im Vorjahr, am Freitag waren es sogar 100.000. Seit dem Wintereinbruch hat die Bahn nach eigenen Angaben über eine halbe Million mehr Tickets verkauft. Viele der neu gewonnenen Fahrgäste mussten jedoch am letzten Wochenende stundenlang auf den Bahnsteigen ausharren, weil sie nicht mehr in die überfüllten Züge passten.
"Ich kann mich nicht erinnern, wann das letzte Mal 500 Flüge ausgefallen sind oder Tankstellen leer und Autobahnen für Lkw gesperrt waren", begründet ein Bahnsprecher die Ausnahmesituation. Immer wieder Neuschnee und Schneeverwehungen gingen auch an der Bahn nicht ohne Spuren vorüber, aber man schneide doch von allen Reisemöglichkeiten noch am besten ab, fand der Sprecher. "Das war wirklich kaum zu meistern", sagt Simon Walter vom Verkehrsclub Deutschland VCD.
Kritischer äußerte sich der Fahrgastverband Pro Bahn: Es fehlten einfach die Reservezüge, weil sie im Vorfeld des geplanten Börsengangs verschrottet worden seien. Erst jüngst musste die Bahn nach eigenen Angaben elf Wagen von der Schweizer Bahn leihen und zehn ehemalige DB-Wagen aus den Niederlanden zurückkaufen. Zeitgleich seien täglich zwölf ICE wegen außerplanmäßiger Achsenuntersuchungen in der Werkstatt und nicht auf der Schiene.
Züge werden umgeleitet
Um dem Reiseansturm trotzdem zu begegnen, blieb der Bahn nur die Möglichkeit, Züge von weniger befahrenen Strecken abzuziehen, um sie an anderer Stelle einsetzen zu können. "Mangelverwaltung ohne Alternative" nennt das Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann.
So wird etwa der IC, der eigentlich von Hannover Richtung Leipzig fährt, nach Berlin umgelenkt. Zudem verkehrt der IC von Nürnberg nach Karlsruhe nur noch vier- statt zweistündig und wird durch Regionalbahnen ersetzt. Die frei gewordenen Züge sollen bei Bedarf die Strecken von Hamburg nach München oder Stuttgart ergänzen. Die neuen Fahrpläne sind bereits in das Onlineangebot eingearbeitet und gelten vorerst bis Jahresende. Danach müsse man sehen, was das Wetter bringt, so die Bahn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind