Der Raub der 20.000 Bilder

Heute vor 85 Jahren öffnete in München die Propagandaschau „Entartete Kunst“. Danach begann der Ausverkauf moderner Werke. Gertrud Werneburg betätigte sich als Hehlerin im Auftrag von Joseph Goebbels. 1991 erzählte sie Hans Prolingheuer freimütig vom Alltag der „Verwertung“

Geraubt aus dem Dresdner Zwinger: Eduard Munchs „Das Leben“ vor dem Depot in Niederschönhausen. Links steht Gertrud Werneburg Foto: BPK

Von Thomas Gerlach

Ein drei Meter hohes Kruzifix des Bildhauers Ludwig Gies war das erste Kunstwerk, das die Besucher vor 85 Jahren bei der Eröffnung am 19. Juli 1937 in den Münchner Hofgartenarkaden zu sehen bekamen. Unter dem Gekreuzigten stand: „Dieses Schauerwerk hing als Heldenehrenmal im Dom zu Lübeck.“

Das stimmte zwar nicht, aber der Ausstellung „Entartete Kunst“ ging es nicht um Genauigkeit, sondern um eine möglichst große Diffamierung der über 700 Kunstwerke von mehr als 120 Künstlerinnen und Künstlern. Moderne Kunst galt im NS-Staat als „jüdisch-bolschewistisch“, „undeutsch“, als „entartet“. Mehr als zwei Millionen Besucher wurden bis Ende November durch die Münchner Propagandaschau geschleust, dem die „Große Deutsche Kunstausstellung“ gegenübergestellt wurde. Später wurden die geschmähten Werke auf einer Wanderausstellung im ganzen Reich präsentiert.

Parallel zu der Münchner Ausstellung lief von August bis November 1937 in allen staatlichen Museen des Deutschen Reichs eine Säuberungsaktion, bei der über 20.000 Kunstwerke beschlagnahmt wurden. Sämtliche Gemälde, Zeichnungen, Grafikmappen, Drucke, Plastiken etc. ließ das Reichspropagandaministerium ab dem Herbst 1937 in einem Depot in der Köpenicker Straße 24 a in Berlin-Kreuzberg einlagern. Mit dem „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ vom 31. Mai 1938 erhielt der staatliche Raub nachträglich seine Legalität, mit der die Kunst „verwertet“ werden konnte.

Werke von Ernst Barlach und Emil Nolde im Depotraum für beschlagnahmte „entartete Kunst“ im Schloss Niederschönhausen Foto: Fo­to:BPK

Ab dem 1. September 1938 wurden zunächst 175 Ölgemälde, von denen sich die NS-Funktionäre Devisen versprachen, im Schloss Schönhausen in Berlin ausgesuchten Kunsthändlern angeboten. Später ging die Zahl der Werke in die Tausende.

Der evangelische Kunstdienst, ursprünglich gegründet, um moderne Kunst in Kirchen zu etablieren, diente sich dem Propagandaministerium für die „Verwertung“ an, seine wichtigste Mitarbeiterin: Gertrud Werneburg, geboren 1901 in Thüringen.