Verkauf der Immobilien Holding: Eine unsichere Bank
Am Dienstag berät der Senat über den Verkauf der Berliner Immobilien Holding (BIH). Es ist gleichzeitig eine Entscheidung über die politische Zukunft des parteilosen Finanzsenators Nußbaum.
Ulrich Nußbaum steht vor seiner ersten großen Bewährungsprobe - und zunehmend auch unter Druck. Wenig metaphernsicher verriet der Finanzsenator kürzlich dem Tagesspiegel, was ihn in diesen Wochen erwartet: "Zwei Kuchenstücke liegen auf dem Teller, und jetzt müssen sich die Abgeordneten entscheiden, was sie lieber haben wollen: den Käse- oder den Apfelkuchen. Also den Verkauf der BIH oder den Verbleib beim Land."
Der rot-rote Senat, dem der parteilose Bremer Fischunternehmer seit Mai 2009 für die SPD angehört, muss über die Wahl zwischen den Kuchensorten schon am Dienstag beraten. Dann nämlich steht der Kaufvertrag zwischen dem Land Berlin und dem britischen Finanzinvestor Altyon über den Verkauf der Berliner Immobilien Holding (BIH) auf der Tagesordung. Ob es eine Entscheidung geben wird, gilt derzeit als offen.
Dabei liegen die Argumente pro und contra Verkauf seit langem auf dem Tisch: Der Finanzsenator und auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) möchten die "Bad Bank", in der die hochspekulativen Immobilienfonds aus dem Bankenskandal gebündelt sind, ein für alle mal loswerden - inklusive der 4 Milliarden Euro Risiken, für die das Land immer noch bürgt. Sollte dies nicht gelingen, hat Nußbaum vorgerechnet, belastete die BIH den Landeshaushalt mit jährlich mindestens 150 Millionen Euro.
In der 2006 gegründeten Berliner Immobilienholding (BIH) sind 29 geschlossene Immobilienfonds der zerschlagenen Bankgesellschaft Berlin gebündelt. Die Fonds wurden in den Jahren 1995 bis 2001 aufgelegt, das ursprüngliche Gesamtinvestment lag bei 9,3 Milliarden Euro. Zum aktuellen Wert macht die BIH keine Angaben, er dürfte Branchenkennern zufolge aber deutlich darunter liegen.
Die BIH bündelt also wie in einer Art Bad Bank die Milliardenrisiken der dubiosen Immobilienfonds der Bankgesellschaft. Das Land Berlin möchte die Holding verkaufen, aber nur unter der Bedingung, dass der Käufer auch alle Risiken aus den Immobilienfonds mit übernimmt. Ein solcher Verkauf war schon unter dem früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gescheitert.
2002 übernahm das Land Berlin Garantien für das Immobiliengeschäft der Bankgesellschaft über bis zu 21,6 Milliarden Euro. Die Garantien bergen erhebliche Risiken: Sobald der Erlös von 4,62 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Bankgesellschaft als Sonderrücklage für Fondsverluste aufgebraucht ist, treffen die Zahlungen den Haushalt unmittelbar.
Der Berliner Senat will am Dienstag über den Verkauf der BIH an einen ausländischen Investor beraten. Sollte die Bad Bank mit ihren 500 Mitarbeitern nicht verkauft werden, muss sie nach Ansicht des Finanzsenators grundlegend umgebaut und saniert werden. Dies betrifft wohl auch Vorstandschef Peter Hohlbein, mit einem Jahreseinkommen von 494.000 Euro der zweitteuerste Manager einer landeseigenen Gesellschaft. (dpa, dapd, rtr, taz)
Die SPD-Linke hingegen wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Veräußerung, die auch den Verkauf von 14.000 Wohnungen und 7.000 Appartments in Berlin bedeuten würde. Dass es für die Berliner Mieter eine Schutzklausel geben soll, ist ihnen zu wenig. Sie fürchten im Fall der Veräußerung auch das Ende der Debatte um Rekommunalisierung.
Der Mehrheit der Abgeordneten der rot-roten Regierungskoalition ist dagegen bei beiden Varianten nicht ganz wohl. Wohl deshalb kam ihnen der Finanzsenator mit seinem missglückten Griff in die Metaphernkiste entgegen: Käse- oder Apfelkuchen, das sollte wohl bedeuten, der Senat habe die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Mit seiner Flurpflege hat der Finanzsenator freilich spät begonnen. Seit langem war in der Berliner SPD der Unmut über den Sarrazin-Nachfolger gewachsen. Viele Abgeordnete, aber auch Senatsmitglieder wie Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer fühlten sich von Nußbaum schlecht informiert. Der wiederum hatte - mit wenig Fingerspitzengefühl - darauf verwiesen, dass er den Vertrag erst dann dem Parlament vorlegen könne, wenn er unterschrieben und vom Senat beschlossen wurde.
Den 54 SPD-Abgeordneten bleibt in diesem Falle nur, Nußbaums Vertragwerk abzunicken - oder aber mit einer Ablehung den Finanzsenator nachhaltig zu beschädigen. Einen ähnlichen Treueschwur hatte der Senat von den Abgeordneten der Regierungskoalition bislang nur zu Beginn des rot-roten Bündnisses 2002 verlangt. Damals ging es um die Risikoabschirmung des Bankenskandals in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro.
Zu allem Ärger Nußbaums kommt nun noch ein Dementi aus Abu Dhabi. Die staatliche Al Halil Bank hatte Ende Januar erklärt, nicht wie vom Senator geplant für alle Risiken des Verkaufs an Altyon zu bürgen. Zudem ergaben Recherchen der taz, dass beim derzeitigen Stand der Verhandlungen das Land Berlin keineswegs alle Risiken an die Investoren abgibt. Genau das aber hatte SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller zuvor immer verlangt: "Wir brauchen da hundertprozentige Sicherheit", sagte Müller nach der Klausurtagung seiner Fraktion Ende Januar in Dresden.
Nicht nur Finanzsenator Nußbaum stehen also schwere Wochen bevor, sondern auch der SPD-Fraktion. Die Zeit drängt nämlich. Ursprünglich sollte der unterschriftsreiche Vertrag bereits im Januar unterzeichnet sein. Sollte der Senat am Dienstag eine Entscheidung erneut vertagen, könnte das zu diesem Anlass zusammengezimmerte Konsortium, zu dem neben Altyon auch andere Investoren gehören, einen Rückzieher machen. Nußbaum stünde dann genauso mit leeren Händen da wie sein Vorgänger Thilo Sarrazin. Der hatte zweimal vergeblich versucht, die BIH zu verkaufen.
Käse- oder Apfelkuchen? Oder steht am Ende gar kein Kuchen mehr auf dem Teller? Für einen SPD-Abgeordneten ist die Frage schon entschieden. "Im Zweifel wird das durchgestimmt", sagt er ernüchtert. Ausgestanden werde das Thema damit aber nicht sein: "Es ist Wahlkampf, und da ist es immer schlecht, wenn man Wohnungen verkauft."
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