Verhandlungen Brexit und Irland: Die Frage nach der Grenze
Die ungelöste irische Grenzfrage blockiert weiterhin eine Brexit-Einigung. Theresa May könnte darüber stürzen – und Irland bereitet Notfallpläne vor.
„Eines Tages werden wir uns zwischen England und Europa entscheiden müssen“, schrieb der Dubliner Schriftsteller James Joyce vor hundert Jahren. Inzwischen hat sich Irland entschieden, und zwar für Europa. Aber Großbritannien ist immer noch der wichtigste Handelspartner, und mit Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, teilt man sich die Insel.
Die einst hochgesicherte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland ist heute unsichtbar. Man merkt nur noch an den Verkehrsschildern, in welchem Land man sich befindet. Das soll auch nach dem Brexit, wenn das eine EU-Außengrenze wird, so bleiben.
Wie das praktisch gehen soll, ist aber seitdem ein Streitpunkt. Beim EU-Gipfel in dieser Woche soll vielleicht eine Lösung präsentiert werden. Es könnte auf eine Vereinbarung nach dem Muster des Vertrags von Le Touquet hinauslaufen. Dieser Vertrag, der im Mai 2000 zwischen Großbritannien und Frankreich geschlossen wurde, regelt die Einrichtung von französischen Grenzkontrollstellen in Großbritannien und von britischen Grenzkontrollen in Frankreich, jeweils dort, wo Kanaltunnelzüge und Autofähren starten.
Ein ähnliches Verfahren wird zwischen Irland und den USA praktiziert. Wer von Dublin oder Shannon in die USA fliegt, erledigt die Einreiseformalitäten bereits in Irland. Im Warteraum vor dem Einstieg befindet man sich de facto auf US-amerikanischem Boden, so dass man nach der Landung in den USA nicht mal seinen Pass vorzeigen muss.
Einigung ist ungewiss
Britische Brexit-Hardliner wie Iain Duncan Smith und Jacob Rees-Mogg könnten sich nun damit anfreunden, dass EU-Beamte in britischen Häfen stehen und britische Beamte die Einhaltung der EU-Regeln für den Export britischer Waren in die EU überwachen. Ob man sich im Detail darauf einigen kann, ist allerdings ungewiss. Die irische Regierung verlangt eine Notfallregelung, falls kein Deal zustande kommt oder das Parlament in London nicht mitspielt.
Die EU will, dass Nordirland in diesem Fall in der EU-Zollunion bleibt. Man bräuchte dann keine Grenze auf der irischen Insel – eine Zollgrenze würde zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs verlaufen. Das ist freilich für die Democratic Unionist Party (DUP), die protestantische und pro-britische größte Partei Nordirlands, unannehmbar. DUP-Chefin Arlene Foster hat gedroht, Theresa Mays Tory-Regierung zu Fall zu bringen, denn deren Parlamentsmehrheit hängt von den zehn DUP-Abgeordneten ab.
Den Brexit-Befürwortern in England geht die irische Grenzfrage auf die Nerven. Das Thema sei völlig unbedeutend, klagte Boris Johnson im Juni, als er noch Außenminister war: „Es ist einfach unglaublich, dass der Schwanz mit dem Hund wedeln darf.“ Wegen der Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus glaubt die DUP, sie sei jetzt der Hund, aber sie bleibt Schwanz.
Sie setzte sich zwar lautstark für den Brexit ein, aber für die Brexit-Kampagne spielte Irland, Nord oder Süd, keine Rolle, die DUP auch nicht. Johnson und Rees-Mogg würden Nordirland und die DUP jederzeit opfern. Irlands Premierminister Leo Varadkar sagte, er frage lieber „die Premierministerin, wenn ich die Meinung der britischen Regierung hören will“.
Die hat aber bisher keinen Vorschlag zur Grenzfrage unterbreitet, der sowohl praktikabel als auch durchsetzungsfähig ist. Deshalb arbeitet die Regierung in Dublin an Notfallplänen, sollte es zu einem harten Brexit kommen. Ende November soll ein Ausschuss des Außenministeriums rund 40 notwendige Gesetzesänderungen vorlegen – es sei denn, beim EU-Gipfel in dieser Woche werden die Weichen für eine Lösung gestellt.
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