Verhaftung von rechtem KSK-Soldaten: „Schäfchens“ Waffenlager
Wie können Bundeswehrsoldaten immer wieder Waffen und Munition entwenden? Das Verteidigungsministerium will das nun überprüfen.
Das geht aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Verteidigungsausschuss des Bundestages hervor, das der taz und anderen Medien vorliegt. Noch sei die Auflistung nicht vollständig, heißt es, aber sicher sei schon jetzt: Die Dinge stammen zumindest teilweise aus Beständen der Bundeswehr, etwa der Sprengstoff und Patronenmunition Kaliber 9x19 und 5,56x45mm.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat vor zwei Wochen das Haus und Grundstück des Soldaten Philipp Sch. in der Gemeinde Wermsdorf durchsuchen lassen. Der 45-Jährige sitzt nun in Untersuchungshaft, gegen ihn wird unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt. Sein ebenfalls bei der Bundeswehr beschäftigter Sohn, mit dem Sch. laut einem Nachbarn ab und zu in „Kampfmontur“ in den Wald gezogen ist, wurde an seinem Truppenstandort Büschel als Zeuge befragt.
Hitlergruß bei der Feier des Kompaniechefs
Seit fast 20 Jahren ist Philipp Sch. beim Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und nach taz-Recherchen dort unter dem Spitznamen „Schäfchen“ bekannt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) war ursprünglich auf ihn aufmerksam geworden, weil er im Frühjahr 2017 bei der Abschiedsfeier seines Kompaniechefs den Hitlergruß gezeigt haben soll. Eine damals anwesende Zeugin bezeichnete ihn als „Nazi-Opa“. Zunächst habe es aber nicht genügend Anhaltspunkte für ein Disziplinar- oder Strafverfahren gegeben.
Zur Frage, ob Philipp Sch. Mitglied in einer rechten Chatgruppe war, wie sie der ehemalige KSK-Soldat André S. alias Hannibal verwaltete, heißt es in dem als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Schreiben: „Zum jetzigen Zeitpunkt liegen dem BMVg keine Erkenntnisse vor.“
Auch bei mehreren Personen des Hannibal-Netzwerks waren Munition und Waffen aus Bundeswehrbeständen gefunden worden. Oft konnte der Weg von der Armee zu den Besitzern nicht klar nachgezeichnet werden. Das Verteidigungsministerium gibt nun indirekt zu, dass es bislang offenbar nicht immer möglich ist, herauszufinden, wer wann wo Waffen oder Munition entwendet hat. „Über die Aufklärung des konkreten Sachverhalts hinaus hat das BMVg eine Überprüfung der Bewirtschaftung und Bestandsnachweisführung von Waffen und Munition – in der Bundeswehr im Allgemeinen und im KSK im Besonderen – eingeleitet“, heißt es. Um Extremismus im KSK zu bekämpfen, werde zudem gerade ein umfangreiches Maßnahmenpaket umgesetzt. Darunter fielen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen unter anderem zum Traditionsverständnis des KSK.
Das KSK mit Sitz in Calw ist schon länger als Problemfall bekannt. Rund 20 Soldaten der vergleichsweise kleinen Einheit, die für die härtesten Einsäze zuständig ist, sind als rechtsextreme Verdachtsfälle eingestuft. Allein seit Ende vergangenen Jahres wurden einer Auflistung zufolge vier KSK-Soldaten entlassen. Gegen weitere wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet und teils wurden sie in andere Einheiten versetzt.
„Neue alarmierende Qualität“
Der Fall Philipp Sch. stelle „eine neue alarmierende Qualität“ dar, schrieb der Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, in der vergangenen Woche in einem Brief an seine Soldaten. Aufgrund der rechtsextremen Vorfälle erlebe das KSK derzeit die „schwierigste Phase seiner Geschichte“. In dem Brief, der der taz vorliegt, ruft er Verfassungsfeinde im KSK auf: „Sie sollten aus eigenem Antrieb unseren Verband und die Bundeswehr verlassen! Tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen lassen werden!“
Unklar bleibt zunächst, wie genau der MAD auf das Waffenlager bei Philipp Sch. aufmerksam wurde. Die Rede ist lediglich von „nachrichtendienstlich gewonnenen Erkenntnissen“ Anfang des Jahres, die am 11. Februar an die sächsischen Behörden weitergegeben worden seien. Es habe damals auch „Hinweise auf eine rechtsextremistische Einstellung“ von Philipp Sch. gegeben. Am 23. März hatten die Ermittler dann einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt, den sie knapp zwei Monate später vollstreckten.
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