Vergrabene Leninstatue in Berlin: Duell der Dickköpfe
Teile des Berliner Lenindenkmals sollen in einer Ausstellung gezeigt werden. Doch das Denkmalamt verbietet die steinerne Exhumierung.
BERLIN taz | Der Streit über die im Köpenicker Forst vergrabene Leninstatue wird zum Politikum. Die Linksfraktion will die Frage, ob der 1,70 Meter hohe Kopf aus rotem Marmorgranit Teil einer neuen Dauerausstellung in der Zitadelle Spandau werden darf oder nicht, nach der Sommerpause im Kulturausschuss zum Thema machen. „Ich hoffe, dass wir bei Kultursenator Klaus Wowereit für Nachdenken sorgen können“, sagte der kulturpolitische Sprecher der Linkspartei, Wolfgang Brauer, der taz.
Ende voriger Woche hatte das Landesdenkmalamt entschieden, dass der Leninkopf nicht wie geplant ausgegraben werden darf. Er soll Teil der Ausstellung „Entdeckt. Berlin und seine Denkmäler“ werden, die im Frühjahr 2015 in der Zitadelle eröffnen soll. „Die Leninstatue ist ein Symbol für den Umgang Berlins mit dem Erbe der DDR“, sagt Ausstellungsleiterin Andrea Theissen. Von 1970 bis 1991 stand das 19-Meter-Monument am damaligen Leninplatz in Friedrichshain, heute Platz der Vereinten Nationen.
Im Nachwendeeifer wurde die Figur in 129 Einzelteile zersägt und in Köpenick in einer Sandgrube nahe dem Seddinsee verbuddelt. Die Demontage wurde später in dem Film „Good Bye, Lenin“ verewigt. Nun sollte der berühmte Kopf eines von mehreren Ausstellungsstücken zu dieser Epoche der Stadtgeschichte werden.
Doch da sind die amtlichen Denkmalpfleger vor. Aus technischen, finanziellen und denkmalpflegerischen Gründen habe man die Ausgrabung verweigert, erklärt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Petra Rohland. Ihrer Behörde untersteht das Landesdenkmalamt. Man wisse erstens nicht genau, wo der Kopf liegt, daher müsste man die gesamte Grube öffnen, sagt Rohland. Das aber sei zu teuer. Zweitens sei unklar, was mit den Resten der Figur werden soll: „Wir brauchen erst mal ein Konzept für den gesamten Lenin.“ Wenn der Kopf weg sei, sei eine eventuelle spätere Aufstellung der ganzen Skulptur schwierig.
„Von elementarer Bedeutung“
Diese Argumente wirken wenig überzeugend. Kaum vorstellbar, dass eine deutsche Behörde nicht weiß, wo sie etwas vergraben hat. Ausstellungsmacherin Theissen sagt, sie habe einen exakten Lageplan. Das Neue Deutschland berichtet zudem von US-Filmemacher Rick Minnich, der 1994 den Kopf freilegte, und verlinkt in seiner Onlineausgabe ein entsprechendes Video. Auch das Geld scheint kein Problem zu sein: Theissen rechnet für die Grabung mit einem „höheren fünfstelligen Betrag“, den halte man bereit. Die gesamte Ausstellung soll 14 Millionen Euro kosten, die vor allem aus EU- und Lottomitteln kommen.
Im Wissenschaftlichen Beirat der Ausstellung, zu dem auch der Leiter des Denkmalamts, Landeskonservator Jörg Haspel, gehört, sei über den Leninkopf mehrfach geredet worden, sagt Alexander Koch, Präsident des Deutschen Historischen Museums. „Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, dass Lenin Teil der Ausstellung wird. Er ist für sie von elementarer Bedeutung.“
Laut Theissen habe man schon 2009 beim Denkmalamt beantragt, den Lenin für die Ausstellung zu reservieren – und damals eine grundsätzliche Zusage bekommen. Davon will man bei der Senatsverwaltung nichts wissen. „Es gab nie eine Zusage“, sagt Sprecherin Rohland. Es sei lediglich der Plan der Ausstellung bekannt gewesen.
Theissen wiederum wundert sich, dass die Behörde mit Denkmalschutzgründen argumentiert. Schließlich habe das Amt selbst 1991 das Monument von der Liste der Denkmäler getilgt.
Für Politiker Brauer ist das ganze Vorgehen der Behörden schlicht ein „Treppenwitz der Stadtgeschichte“. Er vermutet hinter dem Grabungsverbot eine politische Entscheidung der Senatskanzlei von Klaus Wowereit. „Selbst vor diesem Bronzekopf haben sie heute noch Angst“, glaubt der Linke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?