piwik no script img

Vergiss die Pille, kastriere ein Wiesel  ■   Von Ralf Sotscheck

Die Iren sind verrückt nach Rugby, die Irinnen nach den Rugbyfans. Letzteres geht aus einer Statistik des Familienplanungsverbandes hervor: Am Tag nach einem internationalen Rugbyspiel in Dublin verdoppelt sich die Nachfrage nach der „Pille danach“. So wohl auch heute, denn im Viertelfinale der Rugby-Weltmeisterschaft trafen gestern Argentinien und Frankreich in der irischen Hauptstadt aufeinander, in der Stadt wimmelte es nur so von ausländischen Schlachtenbummlern. Ihre Anziehungskraft auf die einheimische Damenwelt ist erstaunlich. Zwar sind die Spieler – ein Engländer sagte einmal, Rugby sei eine Sportart für Gentlemen, die von Raufbolden gespielt werde – groß und kräftig, die Fans sind es mitnichten. Gestern trieben sich jedenfalls schlaffbäuchige Horden in der Innenstadt herum, die pralle Pracht nur notdürftig von Leibchen in der jeweiligen Landesfarbe verdeckt.

Den Irinnen ist das offenbar egal, die Familienplaner raufen sich die Haare. Die Nachfrage nach der „Pille danach“ deute auf ein unterentwickeltes Bewusstsein für Aids-Gefahren hin, sagte Tony O'Brien, der Geschäftsführer des Verbandes. Aber wenigstens seien die Frauen aufgeklärt, was ihre Fruchtbarkeit angehe, fügte er hinzu. Eine Kondomfirma hat herausgefunden, dass zwar 70 Prozent der Bevölkerung wegen Aids besorgt seien, aber nur wenige ergriffen auch die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, um eine Ansteckung zu verhindern. Bei Rugby-Länderspielen gehe auch die Restvernunft über Bord, wie der Run auf die „Pille danach“ beweise.

Früher hatten es die Irinnen auch nicht einfacher. Sie mussten ein Wiesel bei lebendigem Leib kastrieren und die Hoden in einem Beutel aus der Haut eines Enterichs um den Hals tragen, damit sie vor einer Schwangerschaft geschützt waren. Wollten sie dagegen Nachwuchs, musste ein Fuchs dran glauben: Seine gerösteten Hoden, mit Zuckerguss vor dem Mittagessen eingenommen, garantierten die Empfängnis. Wollte sie einen Knaben, dann sollte sich die Frau langsam auf die rechte Seite drehen, nachdem „sich der Mann von ihr erhoben“ hatte. Wandte sie sich nach links, so wurde es ein Mädchen.

Die Ratschläge stammen aus irischen Manuskripten aus dem Mittelalter. Die Forscherin Aoibheann Nic Dhonnchadha hat Hunderte von handgeschriebenen Seiten durchstöbert und kam zu dem Ergebnis, dass die Ärzte früher genauso angesehen waren wie Richter, Schmiede und Harfenspieler“. Sie tauschten ihre Erfahrungen mit den Kollegen auf dem europäischen Festland aus und übersetzten das französische „Lilium Medicinae“ aus dem Jahr 1305. Das Buch, dutzende Male per Hand vervielfältigt, führte damals lange die Bestsellerliste bei den Sachbüchern an. Die Heilmethoden waren ja auch angenehm: Ein „moderater Koitus“ machte die Seele froh, verscheuchte Ärger, besiegte die Angst, förderte den Appetit und beseitigte Schlafstörungen. Trieb man es aber zu wild, so führte das zu Schwäche und frühzeitigem Altern.

Was die mittelalterlichen Ärzte wohl den heutigen Rugbyfreundinnen geraten hätten? Vielleicht den Rugby-Schlachtenbummler zu kastrieren und seine Hoden in einer fest verkorkten Guinness-Flasche einzulegen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen