■ Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar. Fast immer.: Gesetz mit Widerruf
Noch kann das ganze Gesetz kippen. Nachdem sich der Bundestag vorgestern für die Widerspruchsklausel bei Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen ausgesprochen hat, kann nun der, von der SPD dominierte, Bundesrat Einspruch einlegen. Sollte der Bundestag diesen Einspruch nicht mit der erforderlichen Mehrheit zurückweisen, würde es zunächst bei der jetzigen Rechtslage bleiben: keine Strafbarkeit von Vergewaltigungen in der Ehe. Die Gegner der Widerspruchslösung im Bundesrat sind also in der Klemme. Sie können wählen zwischen einem Gesetz mit Widerspruchslösung oder der jetzigen Rechtslage.
Beides ist absurd. Aber das Beharren darauf, daß der eheliche Bereich und vor allem die sich dort abspielende sexuelle Gewalt dem staatlichen Zugriff entzogen ist, hat Tradition. Emanuel Kant qualifizierte Ende des 18. Jahrhunderts die Ehe als „die Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften“, und der Bundesgerichtshof entschied noch 1967, daß der nicht am Geschlechtsverkehr interessierte Ehegatte zu dessen „Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft“ verpflichtet sei. Sind wir heute weiter? Scheinbar ja, denn immerhin bejahen auch die Konservativen die prinzipielle Strafbarkeit von Vergewaltigungen, oralen und analen Penetrationen und sexuellen Nötigungen innerhalb der Ehe. Nur wird dieser Fortschritt im gleichen Atemzug wieder zurückgenommen, indem die vergewaltigte Ehegattin der strafrechtlichen Verfolgung ihres Gatten wirksam widersprechen können soll. Neben allen inhaltlichen Bedenken ist diese Einschränkung schon dogmatisch verfehlt, weil die Ehefrau auch nach geltendem Recht durch ihr Zeugnisverweigerungsrecht faktisch die Verurteilung ihres Mannes verhindern kann.
Wie geht es weiter? Wahrscheinlich wird die Widerspruchslösung Gesetz werden und damit eine zehnjährige Debatte ihren müden Abschluß gefunden haben. Besser wäre es, das Gespräch neu zu beleben und sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, daß Gewalt im häuslichen Bereich – und das hat nichts mit der Institution Ehe zu tun – besonderen Regeln folgt und besonderen Schutzes bedarf. Halbherzige strafrechtliche Eingriffe nützen nichts.
Julia Albrecht
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen