Vergangenheit des Bundeskanzleramtes: Was genau tat Hans Globke?
Etliche Ministerien haben inzwischen braune Flecken ihrer Geschichte aufarbeiten lassen. Ausgerechnet das Bundeskanzleramt fehlt bislang.
Vor allem sei er jedoch der engste Vertraute und Berater Konrad Adenauers gewesen. „Man übertreibt kaum, wenn man in Globke das alter ego seines Kanzlers, praktisch den zweiten Mann im Staate sah.“
Globke, der von 1953 bis 1963 als Staatssekretär das Kanzleramt leitete, ist die umstrittenste Personalie in den Anfangsjahren der Bundesrepublik. Der Name des Kommentators der Nürnberger Rassegesetze, der bis 1945 in Hitlers Reichsinnenministerium gearbeitet hatte, steht für die Kontinuität nationalsozialistischer Funktionseliten, die in der Bundesrepublik ihre Karrieren fortsetzen konnten.
In Eschenburgs seinerzeitiger Würdigung findet Globkes Agieren in der Nazizeit allerdings nur eine beiläufige und relativierende Erwähnung. Was damit zu tun haben dürfte, dass es der Professor in Bezug auf seine eigene NS-Vergangenheit ebenso hielt. Kein Einzelfall.
Es hat lange gedauert, bis sich die bundesdeutschen Institutionen bereit gefunden haben, sich mit den braunen Flecken der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Erst nach der Jahrtausendwende, als die meisten Belasteten längst verstorben waren, begann in der Bundesregierung ein Prozess der Aufarbeitung. Inzwischen hat sich viel getan in Sachen ministerieller Vergangenheitsbewältigung. Siebzehn Ministerien und oberste Bundesbehörden haben in den vergangenen Jahren HistorikerInnenkommissionen eingesetzt.
Jan Korte, Linke
Davon bislang ausgenommen ist allerdings ausgerechnet das Bundeskanzleramt. „Das fällt insofern besonders negativ ins Gewicht, da es sich beim Bundeskanzleramt um eine ressortübergreifende Schaltzentrale handelt, die gerade während der Adenauer-Ära für den beginnenden Demokratisierungsprozess Westdeutschlands von herausragender Bedeutung war“, konstatiert Ulrike Jureit vom Hamburger Institut für Sozialforschung.
HistorikerInnen plädieren für Forschungsprojekt
Jureit war eine von sechs HistorikerInnen, die der Bundestag in der vergangenen Woche zur Anhörung geladen hatte. Sie sollten Stellung nehmen zu einem Antrag der Linkspartei, eine unabhängige HistorikerInnenkommission zur Geschichte des Bundeskanzleramtes einzusetzen (Drucksache 18/3049). Unabhängig davon, welche Fraktion sie benannt hatte: Die WissenschaftlerInnen waren sich einig in ihrer Zustimmung zu einem solchen Forschungsprojekt.
„Unser Bild bliebe unvollständig, würde die für die Personalpolitik der Bundesregierung zentrale Instanz unberücksichtigt bleiben“, befand der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching. Es handele sich um eine „Schieflage, die beseitigt werden müsste“, sagte der emeritierte Professor für Zeitgeschichte an der Technischen Universität Dresden Klaus-Dietmar Henke. Als „grotesk“ bezeichnete es der Jenaer Geschichtsprofessor Norbert Frei, wenn das Bundeskanzleramt weiterhin eine „Fehlstelle“ bliebe.
„Die eklatanteste und schmerzlichste Forschungslücke bei der Aufarbeitung von NS-Kontinuität in der Bundesrepublik besteht beim Bundeskanzleramt“, resümiert der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte „Dies ist das eindeutige Ergebnis der Anhörung und darüber herrscht zumindest in der Wissenschaft Einigkeit.“
Die Bundesregierung zeigt sich bisher allerdings nur bereit, „die Möglichkeit eines ressortübergreifenden Forschungsprogramms zu prüfen“, wie es in der schriftlichen Antwort des Kanzleramts auf eine Anfrage der Linkspartei heißt.
Korte reicht das nicht: „Die Bundesregierung wird ihre Blockadehaltung ein für alle Mal aufgeben müssen“, fordert er. „Niemand hat etwas gegen ergänzende Querschnitt- oder Detailstudienstudien, aber das Kanzleramt muss im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.“ Denn schließlich habe es eine Schlüsselrolle bei der Integration der Täter in die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft besessen. „Hier organisierte Globke die Rückkehr der alten Eliten in Staat, Wirtschaft, Militär und Justiz.“
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