: Vergangen gegenwärtig
■ Goldene Finger für knallende Pop-Feuerwerke: das juvenile Brit-Rock-Trio ash über den Jahrgang 1977, Erfolg, Jugend, Vorbilder und Nordirland
Heute kann man Pop auch ash schreiben, denn sie machen Popmusik, die man einfach mögen darf. „Goldfinger“, vor kurzem eine Top 5-Single in England, klingt wie Seattle on Speed oder Teenage Fanclub on Holiday: nach dem Feuerwerk bleibt die Asche. Ihre explosiven Gitarren kommen dabei nicht etwa aus den Staaten, sondern aus County Down, etwa 20 Meilen von Belfast entfernt, von Trends verschont und gegen Musikgeschichte immun.
Für Geschichte ist das Trio auch zu jung. Ältere Musikliebhaber hören Echos der Stone Roses in „Girl from Mars“ und Ramones in „Kung Fu“. Ash nicht. „Die Buzzcocks und The Undertones wurden oft mit uns in Verbindung gebracht. Dabei kannte ich die Bands überhaupt nicht", meinte der Sänger und Songschreiber Tim Wheeler zur taz hamburg, als ash noch vor ihrem Album-Charts-Erfolg standen.
Alle saßen sie auf dem Sofa: Tim, Mark Hammilton und ihre Krieg der Sterne-Figuren. Der Drummer Rick McMurray holte derweil eine Kassette des hidden tracks („Nicht genau Spoken Word, aber Musik ist es auch nicht“). Dieses versteckte Stück am Ende der CD erinnert daran, daß ash wirklich noch Kids sind. „1977 ist das Jahr, in dem wir geboren wurden“, erzählt Tim. „Außerdem ist Star Wars 1977 erschienen. Wir werden ständig nach den Sex Pistols gefragt, dabei war der Titel 1977 gar nicht als Punk-Referenz gemeint.“
Dank eines glücklichen Zufalls sind ash entstanden – nicht trotz, sondern wegen der relativen Wüste um sie herum. Eine Pilgerfahrt aus County Down zum Nirvana-Konzert in Belfast war dabei das Schlüsselerlebnis.Wie Prinzessin Leias Hologramm-Botschaft dem jungen Luke Skywalker das Licht am anderen Ende des Univer-sums zeigt, so konnten ash nach Nevermind unbefangen ihr eigenes Abenteuer starten.
„Wie alt waren wir bei Nevermind“, fragt sich Mark. „Elf oder zwölf? Davor haben wir jedenfalls nur gräßliche Metal-Bands gehört.“ In Nordirland gab es für sie eben keine nennenswerte Musikszene. „Die meisten Bands kommen hier nie heraus.“ Ash schon.
Nachdem eine Kassette auf dem Schreibtisch ihres Managers landete, veröffentlichte dieser prompt eine Single und baute seine Protegés über zwei Jahre vorsichtig auf: NME-Single der Woche, John Peel's Festive Fifty, Top 15 der regulären Charts mit dem 3minütigen Pop-Himmel „Angel Interceptor“. Dann eine vernünftige Veröffentlichungspause von einem halben Jahr bis zu „Goldfinger“ und 1977.
1977 rauscht von Anfang bis Ende mit unvermittelten Emotionen und läßt so eine in postmodernen Zeiten unwahrscheinliche ironie-freie Zone entstehen. Was wir als Zitate hören, stammt dabei von einer Gruppe ohne Vergangenheit.
Sind sie denn auf den großen Sprung in die Zukunft vorbereitet? Die Antwort klingt bescheiden, läßt vermuten, daß diese Zukunft noch nicht so richtig vorstellbar ist: „Unser Manager hat uns nicht gehypt. Wir haben eine loyale Fanbasis“, führt Tim aus. „Ich glaube nicht, daß unsere alten Fans von dem Album enttäuscht sein werden“, verteidigt sich auch Mark. Alles klingt noch so überschaubar, so nah. Die Gefahr besteht trotzdem, daß ash überdimensional werden. Gibt es eine Alternative? Darüber denken sie nicht nach und das ist gut so. Lieber drehen sie den Gitarrenverstärker hoch und lassen es nochmal knallen.
Harry Calvino
Mo, 10. Juni, 21 Uhr, Markthalle
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