Vergabe der Fußball-WM 2022: Zidanes arabische Absprache
Katar will die WM 2022 in den Nahen Osten holen und rechnet sich Chancen aus. Doch die Araber wurden bereits abgekanzelt und räumten ein, an einem Deal beteiligt zu sein.
BERLIN/ZÜRICH taz | Die katarischen Bewerber gaben unlängst bekannt, ihre Facebook-Seite hätte 500.000 "Freunde", also mit Abstand die meisten von allen Bewerberländern um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Bewerbungschef Hassan Al Thawadi sprach von einer "Welle der Begeisterung im gesamten Nahen Osten". Die Welle der Begeisterung hat die Internetrepräsentanz der katarischen Fußballliga leider nicht erreicht.
Auf der Homepage der Qatar Stars League findet derzeit eine Umfrage zur WM-Vergabe am Donnerstag statt: Fußballfans können abstimmen, wie sie die Chancen Katars für die WM 2022 sehen - exzellent, gut, so lala oder schlecht. Auf der englischsprachigen Seite beteiligten sich inklusive der taz bis Mittwochmittag vier (!) Leute. Alle votierten mit "schlecht". Auf der arabischen Seite der Stars League hatten sogar nur zwei Fans mitgemacht. Sie waren der Meinung: Es sieht super aus.
Vergleich mit Uruguay
Ob die Welle der Begeisterung Zürich erreicht, den Sitz des Weltverbandes Fifa, oder ob sie schon vorher in den unendlichen Weiten der Sportdiplomatie versiegt, darüber streiten sich die Gelehrten.
Katar schien in dem Moment aus dem Rennen zu sein, als der Chef der Fifa-Evaluierungskommission, Harold Mayne-Nicholls, verblüffend offen von den angeblichen logistischen Problemen Katars sprach: Die Landzunge im Persischen Golf mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern sei zu klein für so ein großes Championat, "das letzte Mal, dass wir so ein kompaktes Turnier hatten, war beim ersten Weltcup in Uruguay mit zehn Mannschaften und zwei Stadien, aber das ist 80 Jahre her", watschte Mayne-Nicholls die Katarer ab. Es seien zu wenig Hotels vorhanden, und die Hitze sei den Profis aus aller Welt nicht zuzumuten.
Doch Katar gab nicht klein bei, präsentierte ein Klimasystem für die Stadien, in denen es dank der klimaneutralen Technik nicht wärmer als 19 Grad (66 Fahrenheit) werden soll. Die Arenen sollen nach der WM zudem zurückgebaut werden, "Weiße Elefanten" werde es im Wüstenstaat nicht geben, versprach Al Thawadi und präsentierte zwei dicke Fische aus dem Fußballgeschäft: Zinédine Zidane und Pep Guardiola, den Trainer des FC Barcelona und Befürworter der Bewerbung.
Thawadi, der gut Spanisch spricht, scheint generell gute Beziehung zum iberischen Fußball zu unterhalten, denn nach Medienberichten soll es zu einem Deal zwischen arabischen und spanischen Fifa-Funktionären gekommen sein. Angeblich will man sich gegenseitig die Stimmen zuschieben, was prima funktionieren würde, kandidiert doch Spanien (mit Portugal) für die WM 2018.
Fifa-Exekutivmitglied Mohamed Bin Hammam aus Katar sagte diesbezüglich: "Wenn es einen Deal gibt zwischen mir und Ángel Di María aus Spanien oder anderen Beteiligten des Exekutivkomitees, dann sehe ich das nicht als Problem. Vielleicht sehen sie das aus europäischer Sicht als Problem." Von bis zu 7 Stimmen ist die Rede, die da heute hin und her geschoben werden sollen. "Wenn da etwas ist", sagte Hammam, "dann beschweren sie sich nicht bei Katar oder Spanien. Schuld ist das System, dass zwei Fußball-Weltmeisterschaften am gleichen Tag entschieden werden."
Dieses Prozedere wurde mehrfach kritisiert, doch das Problem liegt nicht an der Doppelvergabe. Das Problem ist die Fifa mit ihren korruptionsanfällige Funktionären, die sich ihr Ehrenamt gern mal mit Schmiergeldzahlungen vergolden lassen. Im Vorfeld der Bewerberkür erreicht die Fifa-Geheimdiplomatie ihren Höhepunkt, unlautere und halb legale Geschäftsabsprachen ebenso.
In diesem Spiel ist nicht entscheidend, ob die islamische Welt respektive der Nahe Osten eine WM verdient hätte oder nach dem Rotationsprinzip dran wäre. Unwichtig ist auch, ob Katar nach Faktenlage eine solide WM ausrichten könnte. Vielmehr geht es in der Welt der Deals darum, Allianzen zu schmieden und Mitbewerber auszustechen.
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