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Verfrühter SommerurlaubAn berufstätige Eltern denkt niemand

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Jetzt gehen wieder die Debatten um die Fehlzeiten kurz vor Ferienbeginn los. Die wahren Schulverweigerer sind jedoch die Schulen.

Billiger, wenn man ihn schon kurz vor Ferienbeginn startet: Familienurlaub Foto: Uwe Zucchi/dpa

S eit zirka zwei Wochen, da begannen die Sommerferien in NRW, werde ich mit Artikeln belästigt, die mir erklären, warum man seine Kinder nicht früher aus der Schule nehmen darf, um billiger in der Urlaub zu fliegen.

Wenn man genauer hinschaut, fällt schnell auf: Wie groß das Problem tatsächlich ist, weiß keiner. Es gibt keine Statistik, die Fehlzeiten vor den Ferien oder eventuelle Bußgeldverfahren wegen eines Verstoßes gegen die Schulpflicht erfasst – nur sporadische Anekdoten von jemanden, der jemanden kennt, der mit einem Schuldirektor verwandt ist oder Bundespolizisten, der schon einmal ein Schulkind am Flug­hafen gesehen haben will. Die Artikel sollen ganz offensichtlich dazu dienen, Eltern zu ­ermahnen und zu erziehen. Das ist aber nur einer der Gründe, warum sie mir auf die ­Nerven gehen.

Der zweite und viel gewichtigere ist, dass die Gegenperspektive vollständig fehlt. Es gibt nämlich ein Phänomen, ich nenne es mal „Vorferien“, das berufstätigen Eltern das Leben schwer macht. Es ist ja nicht nur so, dass ich nicht billig in den Urlaub fliegen darf. Oder mir ein Bein ausreißen muss, bei dem Versuch, mit 32 Urlaubstagen 63 Ferientage betreuungsmäßig abzudecken. So richtig arbeiten soll ich halt lieber auch nicht. Zuverlässig werden in den letzten zwei, drei Wochen vor den Ferien alle Tagesroutinen außer Kraft gesetzt.

Eine kleine persönliche Auswahl der vergangenen zwei Wochen: Mittwoch bis Donnerstag, Projekttage, „der Unterricht endet am Mittwoch und Donnerstag um 12.30 Uhr, am Freitag um 11.25 Uhr, einzelne Projekte können von diesen Zeiten abweichen“. Montag, „Mobilitätstag“ (früher hieß das Schulausflug), ein Kind muss um 8 Uhr da sein, das andere um 10.30 Uhr, dafür muss die Rückfahrt von verschiedenen außerschulischen Lernorten geklärt werden. Dienstag, Sportfest, endet um 13 Uhr. Mittwoch, letzter Schultag, endet um 11.25 Uhr.

Projekttage und Abschiedsfrühstücke

Dazu sind natürlich diverse Dinge zu organisieren: Fahrkarten, Materialien für die Projekttage, Kuchen fürs Picknick, Zeug fürs Abschiedsfrühstück. Ein halbes Dutzend Einverständniserklärungen (die erst im Schulranzen gesucht, unterschrieben und dann hinterhergetragen werden müssen, weil meine Kinder sie grundsätzlich vergessen).

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde soziales Lernen wichtig und gut. Ich glaube sogar, dass es die wichtigsten Lektionen der gesamten Schulzeit enthält – der Schulstoff wird ja eh vergessen oder ist bald überholt. Aber spricht irgendetwas dagegen, es zwischen 8 und 13 Uhr stattfinden zu lassen? Sind mickrige fünf Stunden ungestörter Arbeitszeit am Tag wirklich so viel verlangt?

Aber natürlich beschränkt sich das auch gar nicht auf die Vorferien. Hier erscheint es nur besonders willkürlich, weil es ja organisatorisch leicht vermeidbar wäre. Anders als die Unterrichtsausfälle im gesamten Rest des Jahres, an die wir uns schon gewöhnt haben. In diesem Jahr wurden meine Kinder sogar nach Hause geschickt, damit in der Schule in Ruhe die Abiprüfungen abgenommen werden können.

Natürlich sind die als Schüler einer weiterführenden Schule auch alt genug, um mal ein paar Stunden allein zu bleiben. Nur verbringen sie sie halt vorzugsweise damit, all die Medieninhalte zu konsumieren, die ich ihnen sonst verbiete. Was Lehrer meiner Erfahrung nach auch nicht richtig finden. Wie man es auch dreht und wendet: Berufstätige Eltern sind in diesem System einfach nicht vorgesehen.

Wem darf ich denn eigentlich einen Bußgeldbescheid zustellen für die unzureichende Beschulung meiner Kinder? Gilt diese Schulpflicht immer nur auf der einen Seite? Gut, dass jetzt Ferien sind. Dann muss ich mich nicht weiter aufregen. Und die Kinder müssen nicht so früh aufstehen, bevor sie eh wieder nichts lernen.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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3 Kommentare

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  • Es ist schon ein Leid mit der Schule, erst machen sie die Kinder mit Stress und vielen Arbeiten KO, schreiben drei Arbeiten im Herbst pro Wohe, dann ab Mai fällt alles in sich zusammen und es passiert nur sehr, sehr wenig. Anstatt diese Zeit sinnvoll zu nutzen, fällt das aus, wird hier nur noch wenig gemacht. Ein Grund ist leider auch, dass viele Schulfächer mit wenig Spiel, Spaß und Unterhaltung präsentiert werden, fallen Noten und Arbeiten aus, ergibt sich eine Art Vakuum und dann ist Leerlauf angesagt. Es sind natürlich nicht alle Lehrer und nicht alle Schulen so, aber es ist klar ein Muster zu erkennen und wehe jemand fehlt ohne gute Begründung direkt vor den Ferien dann geht's eben los. Diese Logik ist echt beknackt.

  • "Berufstätige Eltern sind in diesem System einfach nicht vorgesehen."

    --------------

    Falsch. Berufstätige Mütter sind in diesem Schulsystem nicht vorgesehen.

  • Danke. Sehr treffend. Ein von überwiegend Beamten geführtes und gelebtes System. Was erwarten wir?