Verfolgung im Iran: Bundesamt spielt Inquisition
Als Christin droht Roza Moheb im Iran Verfolgung, auch ihr Vater bedroht sie mit dem Tod. Dem BAMF reicht das nicht als Asylgrund.
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„Der Antrag wird als offenkundig unbegründet abgelehnt“, steht in dem Entscheid, und: „Die Antragstellerin wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Sollte sie diese Frist nicht einhalten, wird sie abgeschoben.“
Abgeschoben wurde Roza Moheb bislang nicht. Zwar gilt seit dem 1. Januar 2024 kein bundesweiter Abschiebestopp mehr, sondern es liegt im Ermessen der Bundesländer, ob sie Abschiebungen in den Iran für zumutbar halten. Aus Hamburg wurde im vergangenen Jahr nur eine Person in den Iran abgeschoben – der Leiter des seit Juni verbotenen Islamischen Zentrums Hamburg, Mohammad Hadi Mofatteh. Allerdings war das keine klassische Abschiebung, sondern eine „Ausweisung aus sicherheitsrelevanten Gründen.“ Anfang 2024 antwortete der Senat auf eine Anfrage der Linksfraktion, dass Abschiebungen in den Iran „derzeit nicht realistisch“ seien.
Auf Nachfrage der taz, ob das immer noch gelte, sagte eine Sprecherin der Innenbehörde: „Nach wie vor sollen vollziehbar ausreisepflichtige Personen grundsätzlich zurückgeführt werden. Die Rückführbarkeit von Personen in den Iran ist allerdings weiterhin wenig realistisch.“
Angst um ihre Tochter im Iran
Roza Moheb will sich darauf nicht verlassen. Sie klagte gegen die Ablehnung ihres Asylantrags. Das Hamburger Verwaltungsgericht entscheidet am heutigen Mittwoch über ihren Fall. Doch Moheb geht es nicht nur um einen Abschiebestopp oder subsidiären Schutz, sondern um den Status als Flüchtling nach der Genfer Konvention – denn nur dann ist eine Familienzusammenführung mit ihrer 15-jährigen Tochter möglich.
„Seit sechs Jahren konnte ich meine Tochter nicht sehen, ich mache mir große Sorgen um sie“, sagt Moheb. Einmal habe die iranische Polizei die Jugendliche schon aus der Schule geholt und verhaftet. Sie hatte „Jina Mahsa Amini“ an eine Wand geschrieben, deren gewaltsamer Tod Massenproteste im Iran auslösten. Roza Mohebs Ex-Mann sei ein zusätzliches Sicherheitsrisiko für die gemeinsame Tochter: Er arbeite für das Mullah-Regime.
Moheb ist seit 2018 in Deutschland und kämpft seitdem für die Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention. In Deutschland ließ sie sich taufen und engagierte sich in einer Kirchengemeinde. Sie kochte in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, kümmerte sich um eine Dame im Rollstuhl, engagierte sich in einem Musiktheaterprojekt und beim Gemeindejubilläumsfest. Moheb hat sogar eine App auf dem Handy, die sie mehrfach täglich ans Bibellesen und Beten erinnert.
Doch dem Bamf reicht das alles nicht. Ihr Christentum sei nicht „identitätsprägend“, argumentiert die Behörde. Die Anforderungen für eine Flüchtlingsanerkennung aus religiösen Gründen sind hoch – man muss frommer sein als durchschnittliche Christ*innen. Moheb versteht das nicht. „Wie soll ich meine innere Überzeugung beweisen? Ich kann ja nicht mein Herz zeigen“, sagt sie.
Der Vater drohte, sie mit dem Auto zu überfahren
Das Bamf legt Moheb außerdem negativ aus, dass sie bei einer Anhörung angegeben hatte, nicht nur religiös motivierte Verfolgung zu befürchten, sondern auch die sozialen Umstände im Iran insgesamt. Moheb hatte angegeben, dass ihr im Iran die Steinigung drohe: Als getrennte Frau, die in Deutschland mit einem neuen Partner zusammenlebt, gelte sie dort als Sünderin.
Zudem wolle sie sich nicht immer nach strengen islamischen Vorgaben kleiden und in ständiger Angst leben, etwas falsch gemacht zu haben und dafür getötet zu werden. Ihr Vater, der bei den Revolutionsgarden arbeite, habe gedroht, sie mit dem Auto zu überfahren, um sie zu töten. Mohebs Psychotherapeutin bestätigte in einer früheren Gerichtsanhörung, dass die Drohungen des Vaters oft Thema in den Sitzungen seien und die Patientin sehr belasteten.
Auch Mohebs Anwältin Mona Biglari versteht nicht, warum der Bundesbehörde die Asylgründe, die sie mit ihrer Mandantin angeführt hat, nicht ausreichen. „Wie kann man einer Mutter, die seit sechs Jahren verzweifelt versucht, ihre jugendliche Tochter aus der islamischen Republik Iran zu retten, so viele Steine in den Weg legen?“, fragt sie.
Tarek Alaows, Sprecher von Pro Asyl, weist auf die Gefahr hin, die konvertierten Christ*innen und exilpolitisch engagierten Iraner*innen bei einer Rückkehr in die islamische Republik droht. „Wir sprechen hier über ein islamistisches Regime, das gnadenlos Menschen hinrichtet und keinerlei Freiheitsrechte gewährt“, sagt Alaows.
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