Verfassungsschutzbericht: Künstler angeblich linksextrem
Hamburgs Innenbehörde erklärt Netzwerk "Recht auf Stadt" für linksextremistisch. Die mitregierende GAL hält das für ignorant.
Zu einem offenen Konflikt über die Bewertung des Netzwerks "Recht auf Stadt" ist es in Hamburgs schwarz-grüner Koalition gekommen. "Ein undifferenziertes Bild" und "Ignoranz bei manchen gesellschaftlichen Zusammenhängen" wirft die grüne Innenpolitikerin Antje Möller der Innenbehörde von CDU-Senator Christoph Ahlhaus vor. Der am Freitag vorgestellte Verfassungsschutzbericht sei in Teilen "äußerst fragwürdig".
In dem von Ahlhaus und Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck (CDU) präsentierten Bericht 2009 wird unter anderen die Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" des Gängeviertels in die Nähe des Linksextremismus gerückt. Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Der Protest der autonomen Szene gegen die Aufwertung von Stadtvierteln ("Gentrifizierung") gewann 2009 an Bedeutung. Neben nichtextremistischen sowie vereinzelt linksextremistisch beeinflussten Künstlerprojekten und Bürgerinitiativen (...) hat sich das linksextremistisch beeinflusste Netzwerk "Recht auf Stadt" gegründet." Da sei, kündigte Möller an, "eine kritische Durchsicht notwendig".
Die Zahl der Straftaten aus dem politisch linken Lager sei sprunghaft angestiegen, hatten Ahlhaus und Vahldieck erklärt. Sie erhöhten sich von 535 im Jahr 2008 auf 757 in 2009, zugleich sei die Zahl der Gewaltdelikte von 195 auf 334 geklettert. "Gewalt ist geil" sei das Motto linker Täter, so Vahldieck. In Hamburg gebe es 1.200 Linksextreme, davon etwa 480 Autonome. Ihnen seien Brandanschläge auf Autos sowie Krawalle im Schanzenviertel samt dem Angriff auf eine Polizeiwache zuzurechnen.
Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten sank dagegen von 369 auf 297, die Zahl der Gewalttaten ging um ein Drittel von 45 auf 30 zurück. Insgesamt sei die rechte Szene vor allem durch den Tod ihres Anführers Jürgen Rieger stark geschwächt worden. Eine "Hauptaufgabe" sei weiterhin die "Bekämpfung des weltweiten Netzwerks islamistischer Terroristen", kündigte Ahlhaus an, ein ausländischer Islamist sei 2009 ausgewiesen worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren