Verfassungsschutzbericht vorgestellt: Bröckelnde Neonazi-Szene
Der Verfassungsschutz intensivierte die Beobachtung der radikal-islamistischen Szene und sieht keine Fehler bei Ermittlungen zum Neonazi-Untergrund.
![](https://taz.de/picture/213664/14/Cyb_N4_demo.jpg)
Innensenator Michael Neumann (SPD) hat sich erneut für ein Verbot der NPD ausgesprochen und möchte den Neonazi-Aufmarsch zum selbsternannten „Tag der deutschen Zukunft“ am 2. Juni auf eine „stationäre Kundgebung“ in Wandsbek beschränken. Das erklärte Neumann am Montag bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2011. Und nachdem die Serie von zehn Morden dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zuzurechnen sei, „steht die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit der neuen Dimension des Terrorismus im besonderen Fokus“, sagte Neumann.
Hamburgs Verfassungsschutz (VS) ist daher froh, dass ihm bis dato keine Verfehlungen oder gar Verflechtungen mit dem NSU vorzuwerfen sind, die woanders den Inlandsgeheimdienst „böse getroffen haben“, ergänzte VS-Chef Manfred Murck: „Hamburg steht nicht im Zentrum der Kritik.“ Nach Sichtung vieler Akten gebe es keine Anzeichen, dass Neonazis an der Elbe direkten Kontakt zur Zwickauer Zelle oder deren engsten Umfeld gehabt haben, sagte Murck.
Überhaupt sei die Neonaziszene eher am bröckeln, auch wenn das „böse alte Tandem“, die Neonazi-Kader Thomas Wulff und Christian Worch zum 2. Juni wieder gemeinsam an einem Strang zieht. „Hamburg ist keine Hochburg der Neonaziszene und ihren bösen Geistern“, sagte Murck. „Es gibt jedoch viele Leute, die fremdenfeindlich denken“ und bei denen die Überfremdungs-Thesen der Nazis auf Nährboden stoßen, konstatierte Murck.
Schwerpunkte der Beobachtungen des Verfassungsschutzes (VS) sind der "islamistische Terrorismus" sowie die linksradikalen und rechtsextremen Szenen.
Die rechtsextreme Szene schätzt der VS auf 450 Nazis, wovon 180 gewaltbereit gelten und im vorigen Jahr 312 Straftaten verübt haben.
In der linken Szene glaubt der VS 620 gewaltorientierte Personen zu kennen, denen im vorigen Jahr 618 politisch motivierte Straftaten zur Last gelegt werden.
Das Potenzial an Islamisten und Ausländer-Extremisten beziffert der VS an der Elbe auf 3.040 Personen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Inlandgeheimdienstes liegt bei der Beobachtung radikal-islamistischer Organisationen. In Hamburg glaubt der VS rund 40 Befürworter des bewaffneten „Heiligen Krieges“ ausgemacht zu haben. Nach dem Verbot des Trägervereins der Taiba-Moschee fehle der Dschihadisten-Szene aber zurzeit der zentrale Anlaufpunkt. „Auch salafistische Aktivitäten sind zunehmend zu verzeichnen“, sagte Murck. „Fast alle islamistischen Terroristen waren und sind salafistisch geprägt“, sagte Neumann.
Deshalb sei es richtig gewesen, dass der VS an der Elbe bereits im März Alarm geschlagen habe, dass hinter den Koran-Verteilungsaktionen Salafisten stehen. Er habe nichts dagegen, wenn der Koran verteilt werde, doch wenn Bestrebungen dahinter stünden, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien, „dann habe ich – wie im Übrigen auch die Mehrheit der Muslime in unserer Stadt – entschieden etwas dagegen“, sagte Neumann
Auch die linke Szene hatte der VS natürlich 2011 im Blick. Im Kontext der Stadtentwicklung sei es linksautonomen Gruppen gelungen, das Thema Gentrifizierung in Beschlag zu nehmen und zusammen mit anderen Initiativen Demonstrationen mit mehreren tausend Menschen zu organisieren. Die gänzliche Beobachtung der Linkspartei hat der Geheimdienst jedoch eingestellt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet