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Verfassungsschutz und NSUGeld für falsche Pässe

Der Thüringer Verfassungsschutz soll dem Neonazi-Trio 2.000 Mark bezahlt haben. Außerdem soll das Amt drei Exemplare des antisemitischen "Progomoly"-Spiels von ihnen erworben haben.

Das antisemitische Brettspiel "Pogromly". Bild: dapd

HAMBURG taz | Der Verdacht der Verstrickungen des Verfassungsschutzes bei dem langjährigen Abtauchen des Neonazitrios "Nationalsozialistischen Untergrund" verdichtet sich. Vor der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Thüringer Landtags soll der Landesgeheimdienst eingeräumt haben, dem Trio mehr als 2.000 Mark für gefälschte Pässe direkt zugespielt zu haben. Eine Aussage, die die Mitglieder der Kontrollkommission wegen der Geheimhaltungsvereinbarung weder bestätigten, noch dementieren können, hieß es aus dem Landtag gegenüber der taz.

Am 6. Dezember soll ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes vor der Kontrollkommission gesagt haben, dass das Amt Uwe Mundlos, Uwe Böhnhard und Beate Zschäpe diese Geld zukommen gelassen habe, wie die Bild am Sonntag (Bams) berichtet. Aus abgehörten Telefonaten, so der Verfassungsschützer, hätten sie im Jahr 2000 gewusst, das die Drei dringend Geld für neue Ausweise gebraucht hätten. Da waren Mundlos, Bönhardt und Zschäpe schon zwei Jahre im Untergrund.

Ein alter Bekannter des Trios, Tino Brandt, sollte ihnen das Geld zukommen lassen. Der NPD-Kader und Chef des "Thüringer Heimatschutz" wurde damals selbst vom Verfassungsschutz bezahlt. Das Geld will Brandt, Deckname "Otto", weitergeleitet haben. Er selbst betont gerne, die Gelder des Verfassungsschutzes an ihn – rund 200.000 Mark für den Aufbau der "Bewegung" – genutzt zu haben. Über einen weiteren Mittelsmann sollen die über 2.000 Mark bei Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe angekommen sei.

Mit der Zahlung hoffte der Verfassungsschutz konkrete Hinweise über den Aufenthaltsort des Trios zu bekommen oder deren Decknamen zu erfahren. Der Plan scheiterte. Zudem habe der Verfassungsschutz die Meldeämter in Sachsen nicht über der Maßnahme eingeweiht, heißt es. Die Drei konnten sich so neue Pässe besorgen und weiterhin unbeobachtet untertauchen.

Der Verfassungsschutz soll das Trio auch indirekt finanziell unterstützt haben. Mindestens drei Exemplare des antisemitischen Brettspiel "Pogromly" will Brand dem Thüringer Amt verkauf haben – für je 100 Mark. Das Spiel haben Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe entworfen und hergestellt, bevor sie untertauchten.

Auf dem Spielfeld des umgewandelten "Monopoly-Spiels" sind nationalsozialistische Symbole, etwa ein Hakenkreuz als Startfeld, abgebildet. Zudem gibt es SS- und SA-Felder sowie vier Konzentrationslager. Die Einahmen vom Verkauf sollten den Dreien zukommen.

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11 Kommentare

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  • RZ
    Ralf Zimmermann

    ....hier will doch keiner aufklären,der Fisch stinkt doch vom Kopf her.Ein paar Handlanger werden abgeurteilt...und dann Schwamm drüber.Hört Euch doch mal an den Stammtischen um....:)Wenn es "linker Terror"wäre,würden überall schwerbewaffnete Gringos patrolieren...Kampfjets starten...und sämtliche Funkzellen abgehört werden.Wenn sie Ackermann in einem Imbiss erschossen hätten...???

  • Y
    yitzschak

    dieses progomoly ekelt mich zutiefst an!!!lieber staat und verfassungsschutz,meinetwegen bka...warum greift ihr da nicht zu?warum werden diese leute nicht wegen volksverhetzung hinter gitter gebracht?will nicht allzu affektiv rüberkommen-aber:DAS IST DAS LETZTE!!ECHT-nicht geld-sondern entschuldigungen und nazis hinter gitter -für die juden(in dem fall-progromoly-) und alle anderen

    EKELHAFT

  • R
    rose

    Alles nichts Neues! Schon seit 2000 bekannt!Damals gab es schon einmal einen Untersuchungsausschuss,der die Amtsführung des Th.VS- Chefs Helmut Roewer untersuchen sollte.Der wurde daraufhin seines Amtes enthoben und mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet.Zehn Jahre später (2010)wurden diese wegen Verjährung eingestellt...Dass der VS auf Weisung aus der Politik hin die braune Szene finanziell,logistisch und organisatorisch massiv unterstützt hat,ist nun wirklich nichts Neues.Für diejenigen,die es wissen wollten,war es kein Geheimnis!Nur die TAZ tut jetzt so,als wäre das was Sensationelles....Vermutlich soll von der Rolle der Politik,der Justiz und den Lakaien in den Medien abgelenkt werden!

  • N
    noevil

    Wenn ich mir den Artikel so durchlese, dann komme ich nur zu dem Schluss, dass sowohl Verfassungsschutz als auch die Rechtsgerichteten in der Regierung (aber keiner will es sein!) sich -begründeterweise- sicher sein können, dass auch dies ausgesessen werden kann ohne allzusehr in sich zu gehen. Scheibchenweise schluckt der Leser alles. Die Wenigsten fühlen sich persönlich betroffen. Die Leser fühlen sich mehr und mehr wie die Zuschauer einer Krimiserie - und last but not least: eine Gedenkveranstaltung muss reichen.

     

    Deshalb würde ich vorschlagen, anstatt aufgeregter und aufgemotzter Artikel jeweils nur eine informative, aber kleingehaltene Spalte gezielt zu platzieren, bis zum Frühsommer 2013 eine detailgenau nachprüfbare Faktensammlung anzulegen und diese dann als Chronik in einer Sonderbeilage zu veröffentlichen, anstatt ständig mit kleinen als Schnellschüsse allzu rasch verpuffenden Knallern den Blutdruck hoch zu jagen und eine unerwünschte Abhärtung gegen "skandalös rechts Unfassbares" zu erzielen.

     

    Diskutiert das doch mal in Eurer Redaktion, liebe TAZler.

  • WE
    Welt Erklärbär

    Wo fängt die NPD an und hört der Verfassungsschutz auf. Oder: sind mehr NPD-Anhänger beim Verfassungsschutz aktiv als umgekehrt. Es gibt einen alten Witz der geht so: Ein Cowboy wettet mit einem anderen, dass dieser ein Spucknapf halbt austrinkt. Er bekommt bei Erfolg 50 Dollar. Der Cowboy trinkt das Spucknapf komplett aus. Auf die Frage seines Herausforderes warum er dies denn getan hätte antworter dieser : "Hängt alles zusammen !" So dürfte es wohl auch in der Gemengelage NPD-Verfassungschutz sein. Eklig, nicht wahr ?

  • M
    mensch

    ... und überhaupt hätte ein Korrekturgang dem Text nicht geschadet!

  • W
    Webmarxist

    Wir brauchen keinen Verfassungsschutz, der Nazis finanziell unterstützte. Er muss abgeschafft werden.

     

    Faschismus ist keine Meinung,sondern ein Verbrechen.

  • S
    sigibold

    Es gibt Tage an denen mein Zynismus besonders ausgeprägt ist und dann denke ich manchmal, dass wir ohne die Verfassungsschützer manche Probleme gar nicht hätten.

     

     

    sigibold

  • A
    anon

    Wann wird der Verfassungsschutz denn endlich abgeschafft? Wenn man bedenkt, wer die ersten Verfassungsschützer waren, merkt doch jedes Kind, warum das heute noch alles durch und durch Nazis sind!

     

    Also weg mit Verfassungsschutz, MAD und BND...

  • K
    KFR

    kann jemand mal zusammenzählen, was die Haltung dieser Partei und des Umfeld sowie der "Bekämpfung" und Gegen-PR gekostet hat, in welchen Etat-Posten dieses gebucht wurde ??

  • M
    Micha

    Lieber Autor, der Artikel ist interessant, nur fand ich etwas verwirrend, dass du Pogrom auf drei verschiedene Art und Weisen geschrieben hast. Eine - Pogrom - hätte gereicht :)

    Grüße aus dem verschneiten Süden