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Verfassungsschutz gegen AfDVor allem politische Wirkung

Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein – rechtskräftig ist das noch nicht. Was heißt das für die Verbotsdebatte?

Protest-Aufkleber vor dem Reichstag, Berlin am 18.2.2025 Foto: Jeremy Knowles/eventpress/picture alliance

Freiburg taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei jetzt erstmals als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Das ist noch nicht rechtskräftig und hat zunächst vor allem politische Auswirkungen.

Die AfD-Bundespartei kann gegen die Einstufung klagen und wird dies voraussichtlich tun. Zunächst kann die AfD ein Eilverfahren anstrengen, dann das Hauptsacheverfahren. Bis zur Rechtskraft kann es einige Jahre dauern. In erster Instanz ist das Verwaltungsgericht (VG) Köln zuständig, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat.

Über eine Berufung würde dann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entscheiden und über eine Revision das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ob die Einstufung des Verfassungsschutzes berechtigt ist, wird dabei umfassend geprüft.

Politische Wirkung kann die Verfassungsschutz-Einstufung aber natürlich heute schon erzeugen. Sie dürfte die von CDU-Politiker Jens Spahn angestoßene Debatte um eine Normalisierung des parlamentarischen Umgangs mit der AfD erschweren und die Stimmen für das Aufrechterhalten einer „Brandmauer“ zur AfD stärken.

Die AfD hat keinen Anspruch auf Posten

Bei der anstehenden Wahl von Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt es rechtlich nicht auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes an. Die demokratisch legitimierten Abgeordneten können hier frei entscheiden, wen sie wählen und wen sie nicht wählen wollen. Das hat das Bundesverfassungsgericht im September 2024 entschieden; die AfD hat keinen rechtlichen Anspruch auf Ausschussvorsitze und einen Vizepräsidenten im Bundestag.

Die Einstufung durch den Verfassungsschutz soll in der öffentlichen Diskussion auch als Aufklärung und Warnung für die Wähler dienen. Dies ist bisher allerdings gescheitert. Die Wahl- und Umfrage-Ergebnisse der AfD sind trotz der Einschätzungen des Verfassungsschutzes ungebremst weiter gestiegen. In Umfragen liegen AfD und Union im Bund etwa gleichauf.

In der AfD-Wählerschaft verfing offenbar die Argumentation der Partei, dass der Verfassungsschutz, der aktuell noch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) untersteht, vor allem ein Instrument der etablierten Parteien sei. Dies wurde verstärkt als der bisherige Präsident des Bundesamts, Thomas Haldenwang, bei der vorgezogenen Bundestagswahl (erfolglos) für die CDU kandidierte. Sein Amt ruhte allerdings ab Ankündigung der Kandidatur.

Auswirkung auf AfD-Anhänger

Wenn die Einstufung der AfD als extremistische Partei in einigen Jahren rechtskräftig bestätigt sein sollte, so kann dies vor allem Auswirkungen auf AfD-Aktivist:innen haben. AfD-Mitglieder dürften Probleme bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst bekommen, da hier das Gebot der Verfassungstreue gilt, wobei es hier auf den Einzelfall ankommt. AfD-Funktionär:innen müssen dann sogar mit Entfernung aus dem öffentlichen Dienst rechnen. Hiergegen können sie allerdings bei den Verwaltungsgerichten klagen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz begründete seine Einstufung der AfD vor allem mit dem „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ der Partei. Gemeint ist, dass die AfD eingebürgerte Deutsche mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes akzeptiert. Dies verstoße gegen die Menschenwürde der Betroffenen und verletze damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Vorgeworfen wird der AfD aber auch, dass sie gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten hetzt und diese verächtlich macht. So agitierten führende Funktionäre der AfD gegen Migranten und Flüchtlinge, etwa indem sie diese als „Messer-Migranten“ bezeichnen oder ihnen eine ethnokulturell bedingte Neigung zur Gewalt unterstellen. Auffällig ist, dass in der Erklärung des Verfassungsschutzes keine „demokratiefeindlichen Bestrebungen“ der Partei erwähnt werden.

Ruf nach Verbot

Natürlich wird nun auch der Ruf nach einem AfD-Verbot befeuert. Schließlich sind die Maßstäbe für eine Einstufung als „gesichert extremistische“ Partei und für ein Parteiverbot ganz ähnlich. Allerdings entscheidet über ein Parteiverbot das Bundesverfassungsgericht.

Und es ist dabei weder an die Einstufung des Verfassungsschutzes gebunden, noch an die gerichtlichen Feststellungen der Verwaltungsgerichte. Solange eine Partei wie die AfD nicht offen für die Abschaffung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde eintritt und dies nur puzzleartig aus Äußerungen von Funk­tio­nä­r:in­nen geschlossen wird, ist ein Verbotsverfahren langwierig und hat einen unsicheren Ausgang.

Ein Verbotsantrag kann nur von den drei Organen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat gestellt werden. Ob ein Antrag gestellt wird, ist eine politische Ermessensentscheidung. Hierbei kann auch die Überlegung einfließen, ob es die Demokratie stärkt, wenn die etablierte Politik einen Antrag auf Verbot der stärksten Oppositionspartei stellt. Vor Einreichung eines Verbotsantrags müssten auch alle staatlichen Spitzel in der AfD abgeschaltet werden, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.

Rechtlich möglich wäre auch ein Antrag der drei Organe, der AfD nur die staatliche Parteifinanzierung zu streichen. Auch darüber würde das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Maßstab wäre der gleiche wie bei einem Parteiverbot. Das Verfahren wäre also gleich aufwendig und langwierig.

Bisher waren nur die drei AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt von den jeweiligen Verfassungsschutz-Landesämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. In Thüringen verzichtete die AfD auf eine Klage, in den beiden anderen Ländern laufen die Prozesse noch.

Im Bund wurde die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz 2021 als Verdachtsfall eingestuft. Seit das VG Köln dies 2022 bestätigte, darf diese Einstufung im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht werden. Seitdem ist auch die nachrichtendienstliche Überwachung der Partei, unter anderem mit Spitzeln, möglich.

Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Mai 2024 die Einstufung als Verdachtsfall. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Nachdem das OVG keine Revision zugelassen hatte, hat die AfD-Bundespartei Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die das Bundesverwaltungsgericht wohl noch in diesem Jahr entscheiden wird.

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1 Kommentar

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  • Die wehrhafte Demokratie beim Schlafwandeln. Es ist klar was die AfD will und es wird seit Jahren rumgeiert bis es bald zu spät ist. Vielleicht braucht es mal wieder ein Stalingrad um zu wissen wohin der deutsche Patriotismus führt. Grüße auch an die Union.