Verfassungsgericht über Bundestag: Keine heimliche Überwachung
Der Bundestag soll über die Geheimdienst-Beobachtung seiner Abgeordneten informiert werden. Karlsruhe äußert Unbehagen über die Beobachtung. Linke fordern deren Ende.
FREIBURG taz Der Bundestag hat grundsätzlich ein Recht zu erfahren, ob seine Abgeordneten von Geheimdiensten überwacht werden. Dies hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es genüge nicht, wenn nur das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) unterrichtet wird. Erfolg hatte damit eine Klage der grünen Bundestagsfraktion.
Wie der Spiegel 2006 enthüllte, führt das Bundesamt für Verfassungsschutz "Personalakten" über verschiedene Abgeordnete, in denen öffentlich zugängliches Material über sie gesammelt wird. Die Bundesregierung hatte zuvor nur mitgeteilt, dass die Abgeordneten nicht "mit nachrichtendienstlichen Mitteln" überwacht werden - sie werden nicht abgehört, und es werden keine Spitzel auf sie angesetzt.
Daraufhin wollten die Grünen wissen, ob Geheimdienste Informationen über Abgeordnete "sammeln, speichern oder an Dritte weitergeben". Ihre kleine Anfrage wurden aber fast gar nicht beantwortet - die Sache sei geheimhaltungsbedürftig. Deshalb rügten die Grünen eine Verletzung ihrer Informationsrechte. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts gab ihnen nun Recht. Die Bundesregierung habe grundsätzlich die Pflicht, auf Anfragen der Parlamentarierer zu antworten. Die Grenzen dieser Auskunftspflicht seien deutlich enger, als von der Regierung angenommen.
So entfalle das Informationsrecht der Abgeordneten nicht schon deshalb, weil die Regierung über Geheimdienstangelegenheiten im PKG des Bundestags berichte. Die Einrichtung des PKG sollte schließlich die Informationslage nicht verschlechtern, sondern verbessern - etwa indem geheimhaltungsbedürftige Details im kleinen Kreis diskutiert werden können.
Auch den pauschalen Hinweis der Regierung auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit der erbetenen Antworten ließ Karlsruhe nicht gelten. Dies hätte "angemessen ausführlich" begründet werden müssen. Für die Richter war es "nicht ersichtlich", warum es die Arbeitsfähigkeit der Dienste gefährde, wenn das Parlament über die Ausspähung von Abgeordneten informiert wird.
Die Entscheidung betraf nur Informationsrechte des Parlaments. Das Gericht ließ offen, ob es erlaubt ist, Abgeordnete von Geheimdiensten überwachen zu lassen. Die Richter deuteten aber in Nebensätzen durchaus Unbehagen an. Die Linke forderte gestern, "dass die Beobachtung endlich beendet wird".
Der Linken-Abgeordnete Bodo Ramelow hatte bereits mit einer individuellen Klage gegen seine Überwachung Erfolg. Das Verwaltungsgericht Köln entschied im Januar 2008, dass bei ihm kein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliege. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid