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Verfassungsbeschwerde gestartet"Zensursula" vor Gericht

Im Sommer 2009 mobilisierten die Netzsperren eine neue, digitale Bürgerrechtsbewegung. Nun haben Bürgerrechtler Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Proteste gegen das Zugangserschwerungsgesetz, kurz: "gegen Zensursula" im Jahr 2009. "Zensursula" ist ein Kunstwort für Ursula von der Leyen und ihre Netzsperren-Initiative. Bild: Stephan LuckowCC-BY

Seit einem Jahr ist das "Zugangserschwerungsgesetz" zur Sperre von Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten in Kraft. Wegen eines Koalitions-Kompromisses zwischen FDP und Union verzichtet das Bundeskriminalamt (BKA) derzeit jedoch darauf, die deutschen Provider zur Sperre von Webseiten zu zwingen. Bürgerrechtlern ist dies nicht genug: sie wollen das Gesetz jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht kippen.

Vier Beschwerdeführer bietet der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) auf, um nun vor dem obersten deutschen Gericht gegen das Gesetz vorzugehen: Florian Walther, IT- Sicherheitsberater und Blogger, die Netzkünstlerin und Professorin für Neue Medien Olia Lialina sowie zwei Mitglieder der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages: Software-Entwickler Alvar Freude und Netzaktivist padeluun.

Thomas Stadler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht, erklärt: "Das Zugangserschwerungsgesetz ist offenkundig nicht verfassungskonform, und zwar sowohl aus formalen als auch aus inhaltlichen Gründen." So habe der Bund überhaupt nicht die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz in diesem Bereich, das Gesetzgebungsverfahren sei massiv fehlerbehaftet gewesen. Vor allem aber sei das Gesetz sinnlos: "Das Gesetz ist nicht geeignet, den erhofften Zweck – die Verringerung von Zugriffen auf kinderpornographische Inhalte – zu erreichen."

Zwar sind bereits in vielen europäischen Ländern Websperren in Kraft, ob die Maßnahme irgendwo eine Verringerung des Kindesmissbrauchs oder auch nur eine Abnahme der Verbreitung von Missbrauchsbildern bewirken konnte, wurde nie untersucht. Theoretisch können die Sperrlisten sogar als Wegweiser zu illegalen Inhalten dienen. Zahlreiche der geheimen Listen wurden zum Beispiel auf der Plattform Wikileaks veröffentlicht.

Verfassungsbeschwerde gegen "Zensurinfrastruktur"

Die Bürgerrechtler wollen mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Etablierung einer "Zensurinfrastruktur" vorgehen. "Besonders bedenklich ist dabei, dass die Entscheidung darüber, ob statt anderen Maßnahmen eine Sperre von Internetseiten durchgeführt wird, einzelne Beamte des BKA fällen", kritisiert Stadler. Lediglich ein Aufsichtsgremium, das beim Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar angesiedelt sein soll, sollte die Richtigkeit der Maßnahmen stichprobenartig überprüfen.

Alvar Freude, Mitgründer des AK Zensur und Beschwerdeführer, kritisiert die Bundesregierung: "Obwohl sich jüngst auch der CSU-Netzrat gegen Sperren ausgesprochen hat und die FDP-Fraktion sich schon seit 2009 für das Entfernen kinderpornographischer Webseiten einsetzt, beharren führende Politiker der CDU weiter auf den gefährlichen Internet-Sperren." Offiziell ist das Gesetz in einer Evaluierungsphase, nur Teile finden derzeit Anwendung. So müssen sich die BKA-Beamten derzeit darauf beschränken, gefundene Seiten direkt an der Quelle löschen zu lassen. Ein mühsames Geschäft: die meisten Fälle sind im Ausland, meist in den USA. Der Arbeitskreis Zensur hat aus den australischen, finnischen und den Sperrlisten aus der Schweiz eine Übersicht (PDF) erstellt, auf der sich die Herkunft kinderpornografischer Seiten nachvollziehen lässt.

Herkunft von Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt, extrahiert aus der australischen Sperrliste. Bild: Alvar Freude

Wie gut das funktioniert, ist umstritten. So verweist die Internet-Beschwerdestelle auf eine Erfolgsquote von 99,4 Prozent bei der Löschung von ausländischen Seiten mit kinderpornografischen Inhalten, BKA-Präsident Ziercke drängt jedoch weiter darauf, Inhalte für deutsche Internetnutzer sperren zu lassen.

Ob die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zugelassen wird, ist unsicher. "Es gibt auch Juristen, die der Meinung sind, dass eine Beschwerde von normalen Nutzern oder Content-Anbietern derzeit nicht zulässig ist", erklärt Stadler. Einen Provider, der die Sperrmaßnahmen durchführen müsste und daher direkt betroffen wäre, konnte der AK Zensur nicht für die Klage gewinnen.

Auch der "Nichtanwendungserlass" verhindert, dass die Beschwerdeführer eine direkte Betroffenheit nachweisen. Wie dieser Erlass genau aussieht, ist jedoch geheim. Das Bundesinnenministerium lehnte Stadlers Antrag auf Einsichtname ab: das Papier sein ein verwaltungsinternes Dokument und könne deshalb nicht zur Verfügung gestellt werden.

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3 Kommentare

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  • G
    glas

    Interessant, daß in der Übersicht USA, Kanada und Deutschland ganz oben anstehen. Bislang war von Experten aus der Praxis zu hören, daß besonders Rußland und die Türkei aufgefallen sind.

  • WB
    wilhelm b

    @Student

    Ich denke nicht, dass man hier von Inkompetenz sprechen kann/darf.

    Es KANN nicht sein, dass eine regierende Partei es jahrelang nicht schafft auch nur EINEN Menschen mit der entsprechenden Kompetenz aufzutreiben. Natürlich hat man Experten die weltweit mit der "Hackerelite" schritthalten können, das ist doch nur eine Frage von Stellenausschreibung und Bezahlung.

     

    Daraus folgt, dass den regierenden Parteien sehr wohl sämtliche Konzeptionsfehler und Folgen in dieser Frage vollends bewusst sind und daraus wiederum folgt, dass dies Alles genau so gewollt ist/nach Plan verläuft. Dass diese Maßnahmen nicht greifen müsste uns doch nur eines zeigen: Das vorgegebene Ziel der Regierung ist dabei nicht verfolgte Ziel.

  • S
    Student

    Pishingseiten werden von Banken (Das sind nur Unternehmen, keine Behörden mit tatsächlicher, rechtlicher Handhabe) innerhalb weniger Stunden weltweit gelöscht.

     

    Die Sperren hingegen sind nicht nur aufs einfachste zu umgehen, umgeht ein User die Sperre, erhöht er auch gleichzeitig seine eigene Sicherheit gegenüber der Strafverfolgung, da das Nutzen von Proxies (mit denen Netzzensur umgangen werden kann) zu einer verschleierung der IP-Adresse führt und eine zuordnung damit für die Behörden weit schwerer fällt.

     

    Kurz gesagt: Die Netzsperren sind mehr eine Unterstüzung für Pädophile und Kinderschänder als dass sie aufgehalten werden.

     

    Schade, dass die CDU bei Netzthemen Inkompetenz immer wieder ganz groß schreibt.