Verfahren nach Prügel-Affäre: Macron, der nachsichtige Arbeitgeber
Ein Mitarbeiter von Macron hat einen Demonstranten verprügelt. Auch Polizisten müssen sich nun verantworten.
Rund um diesen Tag dreht sich ein Skandal, den seit vergangener Woche Mittwoch das politische Frankreich beschäftigt: Einer von Macrons leitenden Mitarbeitern soll bei einem Polizeieinsatz am 1. Mai gegen einen Demonstranten gewalttätig vorgegangen sein. Er soll einen Polizeihelm und -armbinde getragen haben, obwohl er nicht als Ordnungshüter im Einsatz gewesen war. Die Tageszeitung Le Monde hatte ihn auf einem Video identifiziert.
Das Unbehagen und die Verdachtsmomente sind gravierend genug, dass beide Parlamentskammern zu diesem Zweck Untersuchungskommissionen gebildet haben. Als Erster muss sich am Montagmorgen Innenminister Gérard Collomb der Befragung stellen. Die Opposition fordert bereits im Voraus den Rücktritt dieses Treuesten der Getreuen des Präsidenten. Jean-Luc Mélenchon von der linken „France insoumise“ spricht sogar von einer Staatsaffäre im Ausmaß des Watergate-Skandals.
Auf dem im Internet zirkulierenden Video ist ein Mann in Zivilkleidung zu sehen, der bei einer Ansammlung auf der Pariser Place de Contrescarpe im Anschluss an eine 1.-Mai-Kundgebung einen am Boden liegenden Mann schlägt und auch eine junge Frau misshandelt. Dieser vermeintliche Ordnungshüter ist eben kein Polizeibeamter, sondern Alexandre Benalla, der persönliche Sicherheitsverantwortliche von Präsident Macron. Er war schon während dessen Wahlkampf für die Sicherheit Macrons verantwortlich. Nach dem Wahlsieg blieb er dem Élysée-Palast als Mitarbeiter erhalten.
Unqualifiziert und privilegiert
Dass Macron diesen erst 26-jährigen Benalla, der zwar einen Master-Abschluss in Jura, aber keine spezielle Ausbildung hat, als Verantwortlichen für seine persönliche Sicherheit engagierte, ist bereits erstaunlich.
Noch eigenartiger muten die Privilegien an, die dieser junge Mann, den man selbst im Skiurlaub an der Seite des Ehepaars Macron sehen konnte, offenbar genoss: Neben einem relativ hohen Gehalt für einen völlig unqualifizierten Mitarbeiter hatte er ein mit Polizeizubehör ausgerüstetes Dienstfahrzeug, einen Ausweis für praktisch unbeschränkten Zugang zur Nationalversammlung sowie seit Anfang Juli eine luxuriöse Wohnung in einer Dépendance des Élysée-Palasts, in dem er ebenfalls über ein Büro verfügt.
Innenminister Collomb wusste bereits am Tag danach von den Vorfällen am 1. Mai und informierte angeblich die Staatspräsidentschaft – nicht aber die Justiz, wie er das als Amtsträger von Gesetzes wegen hätte tun müssen. Macron erwies sich als äußerst nachsichtiger Arbeitgeber. Benalla wurde lediglich für 14 Tage ohne Lohn „suspendiert“.
Jetzt wird gegen Benalla und einen Komplizen ermittelt. Benalla wird unter anderem Gewalttätigkeit, Amtsanmaßung und unerlaubtes Waffentragen vorgeworfen, wie Justizkreise der dpa am Sonntag bestätigten. Vor dem Untersuchungsrichter müssen sich auch drei hohe Mitglieder der Pariser Polizei verantworten. Sie sollen Benalla anscheinend auf dessen Wunsch hin Aufnahmen der Videoüberwachungskameras zugespielt haben. Und jeden Tag kommen weitere Elemente einer Affäre heraus, die die Glaubwürdigkeit von Präsident Macron bereits schwer erschüttern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
Pistorius wird nicht SPD-Kanzlerkandidat
Boris Pistorius wählt Olaf Scholz