piwik no script img

Verfahren gegen Milizenchefs aus RuandaAnklage in Deutschland erhoben

Die zwei ehemaligen Milizenführer aus Ruanda, Murwanashyaka und Musoni, sind von der Bundesanwaltschaft angeklagt worden. Ihnen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Schwere Vorwürfe: Ignace Murwanashyaka. Bild: reuters/archiv

KARLSRUHE afp | Die Bundesanwaltschaft hat zwei ehemalige ruandische Milizenführer wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Landgericht Stuttgart angeklagt. Das teilte die Behörde am Freitag in Karlsruhe mit. Die beiden in Deutschland lebenden Anführer der Milizenorganisation Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas (FDLR) waren im November vergangenen Jahres verhaftet worden.

Die Behörde wirft dem 47-jährige Ignace Murwanashyaka und dem 49-jährigen Straton Musoni 26 Verbrechen gegen die Menschlichkeit und 39 Kriegsverbrechen vor, die ihre Milizen 2008 und 2009 in der Demokratischen Republik Kongo begangen haben sollen. Dabei wurden der Bundesanwaltschaft zufolge mehr als 200 Menschen getötet, zahlreiche Frauen vergewaltigt, etliche Dörfer geplündert und gebrandschatzt, Unschuldige als Schutzschild gegen militärische Angriffe missbraucht und Kinder für die Miliz zwangsrekrutiert.

Die FDLR-Miliz wurde demnach von Angehörigen des Volkes der Hutu gegründet, die 1994 verantwortlich waren für den Völkermord an den Tutsi in Ruanda. Die FDLR hatte ihre Basis im Osten der Demokratischen Republik Kongo und verfolgt das Ziel, die Regierung Ruandas zu entmachten. Ihre Machtstellung versucht sie laut Bundesanwaltschaft seit dem zunehmenden militärischen Druck der ruandischen und kongolesischen Armeen durch regelmäßige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung zu sichern.

Die Mittel, die sie dabei systematisch eingesetzt haben, umfassen laut Anklage: "Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Versklavung, gewaltsame Landnahme, Raub, Plünderung und Brandschatzung, eigenmächtige Erhebung von Wegezöllen sowie Ausbeutung der kongolesischen Bodenschätze".

Murwanashyaka war der Bundesanwaltschaft zufolge seit 2001 Präsident der FDLR und zugleich Oberkommandierender der Miliz. Musoni war seit 2005 Vizepräsident und soll Murwanashyaka in militärischen Fragen beraten haben. Beide standen per Satellitentelefon nahezu täglich in Kontakt mit ihren Truppen. Im November 2009 wurden sie in Karlsruhe und Stuttgart festgenommen. Murwanashyaka hatte zuvor in Bonn studiert, erfolgreich Asyl beantragt und sich in Mannheim niedergelassen. Sei Stellvertreter Musoni lebte im schwäbischen Neuffen.

Vertreter der Bundesanwaltschaft waren nach der Festnahme der Milizionäre in den Kongo gereist, um Zeugen, Überlebende aber auch Täter der Kriegsverbrechen zu befragen. Sie wurden dabei von den Vereinten Nationen und internationalen Hilfsorganisationen unterstützt.

In den beiden Fällen wurde Völkermord erstmals auf Grundlage des seit 2002 geltenden Völkerstrafgesetzbuches angeklagt. Diese Regelung verlangt von der Bundesanwaltschaft nach deren Darstellung, "alle Schauplätze von Völkerstraftaten weltweit in den Blick zu nehmen" und Völkermörder und Kriegsverbrecher zu verfolgen, "die Deutschland als Rückzugs- und Ruheraum nutzen wollen". Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Verfolgung dieser Verbrechen durch immer intensivere internationale Kooperation an Gewicht gewinnen werde und europaweit mehr dieser Täter aufgespürt werden könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!