Vereinte Opposition in Ungarn: Hódmezővásárhely ist überall
Bisher wusste sich Ungarns Opposition selbst zu zerlegen. Mit dem gemeinsamen Kandidaten Márki-Zay hat sie nun die große Chance, Orbán endlich abzulösen.
N a bitte, geht doch! Ungarns Opposition ist endlich aufgewacht. Anstatt sich wie bisher kompetent zu zerlegen, wobei persönliche Ambitionen von Politiker*innen ihr Übriges taten, ist jetzt eine bahnbrechende Erkenntnis gereift: Wer Regierungschef Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz in den Augen der Wähler*innen wirklich eine ernst zu nehmende Alternative entgegensetzen will, kann dies nur mit vereinten Kräften tun.
Genau dieses Signal geht von der Wahl eines gemeinsamen Oppositionskandidaten am vergangenen Sonntag aus, wenngleich das verbindende Moment erst einmal nur der kleinste gemeinsame Nenner aller Beteiligten ist. Und der lautet: Orbán muss weg.
Und der sieht in der Tat ungemütlichen Zeiten entgegen. Denn die Parlamentswahl im kommenden Frühling dürfte für den Mann, der Ungarn seit 2010 regiert, kein Selbstläufer werden. Das könnte auch an der Person des frisch gekürten Oppositionschefs liegen. Schließlich ist es Péter Márki-Zay bekennender Konservativer und gläubiger Katholik, 2018 schon einmal gelungen, der Fidesz ihre Hochburg Hódmezővásárhely abzujagen. Ergo dürfte er auch für diejenigen Ungar*innen wählbar sein, die sich mit diesen Werten identifizieren, aber schon lange von Orbáns die Gesellschaft spaltender und ausgrenzender Politik die Nase voll haben.
Aber genauso könnte Marki-Zay auch in den linksliberalen städtischen Milieus punkten. Er ist jeglicher Seilschaften in dem von Vetternwirtschaft geprägten Politiksumpf Orbáns unverdächtig und fest entschlossen, mit der weit verbreiteten Korruption aufzuräumen – ein Anliegen, das ebenfalls viele Wähler*innen teilen.
Und überhaupt, wie sähe die Alternative aus? Erneut vier Jahre einer illiberalen Demokratie nebst eines fortschreitenden Abbaus von Grund- und Bürgerrechten sowie weitere Feldzüge gegen vermeintliche „Diktate“ der Europäischen Union.
Endlich hat die Opposition eine reale Chance, einen Machtwechsel herbeizuführen. Die sollte sie jetzt zu nutzen wissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen