Verdis Requiem mit Ballett: Über der Asche schweben

Christian Spuck wird Intendant des Staatsballetts Berlin. Er stellte sich mit der Inszenierung von „Messa da Requiem“ in der Deutschen Oper vor.

Dunkel gekleidete Männer tragen eine Frau auf ihren Armen

Bilder der Trauer und Bestürzung in der „Messa Da Requiem“ von Christian Spuck Foto: Serghei Gherciu

Trauer hat einen Klang und Trauer hat einen Körper. In der Deutschen Oper Berlin wird er gebildet aus vielen Menschenleibern, die sich in einer Welle übereinanderbeugen für ein großartiges Bild des kollektiven Schmerzes. Es sind die Körper der Sän­ge­r:in­nen des großen Rundfunkchors Berlin und des Ensembles des Staatsballetts Berlin, die zusammen die „Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi interpretieren.

Inszeniert hat die Messa der Choreograf Christian Spuck zuerst 2016 in Zürich. Doch weil er ab Beginn der kommenden Spielzeit 2023/24 Intendant des Berliner Staatsballetts wird, hat er Inszenierung und Choreografie hier neu einstudiert, ein Auftakt von großer Wucht.

In Verdis „Messa Da Requiem“ glaubt man das Züngeln der Flammen der Hölle zu hören und das Flehen der Verdammten am Tag des Jüngsten Gerichts. Wenn dazu die Hände des Chors wie Flämmchen in der Luft tanzen, und sie wehende Töne, den Körper vorgelehnt, als ob sie sich gegen einen Sturm stemmen müssten, in den Raum entlassen, entstehen wahrlich ergreifende Momente.

Es geschieht viel in diesem Requiem von Verdi. Schon allein in der Musik des Orchesters, das Nicholas Carter leitete, und das die Stimmen der vier So­lis­t:in­nen dramatisch rahmt, wenn sie in lateinischen Worten anrührend singen.

„Messa Da Requiem“, wieder am 17./19. April, 4./6./12. Mai in der Deutschen Oper

Sie erzählen so von dem Tag des Zorns, halten Rückschau auf ihr Leben, zittern vor Furcht und hoffen auf Rettung. Ihre Körper und Stimmen bilden oft leuchtende Inseln in dem dunklen Meer der Trauer, als das man den Chor ansehen kann. Allein wie Spuck dies inszeniert hat, würde schon genügen.

Durch den Staub kriechen, durch die Luft fliegen

Nun ist es aber ein Ballett-Abend. Die Choreografie ist einerseits abstrakt, verzichtet also auf Narration, nutzt andererseits aber viele Duette in klassischer Paarkonstellation. Schwarzer Staub aus Asche wirbelt auf, wenn die Füße der Tänzerinnen, die von ihren Partnern gehalten im Kreis gewirbelt werden, knapp über dem Bühnenboden schweben. Fallende und stürzende Körper und Menschen, die durch den Staub kriechen, sind wiederkehrende Figuren. Aber auch das Schweben und beinahe Fliegen der Tänzerinnen, die von vielen männlichen Armen durch die Luft getragen werden.

In den tänzerischen Bilder liegt ein Moment des Trostes, ein Weiterpochen der Lebensenergie und Flimmern des Begehrens dort, wo etwas zu Grabe getragen wird und Abschied genommen werden muss. Einmal spielt ein Paar mit vier Händen und Armen, die sich immer wieder berühren, suchen, halten, umeinander winden, lösen und neu finden eine Sequenz, die wie ein Versprechen ist, nicht alleine gelassen zu werden und immer wieder Halt zu finden.

Manchmal spielt die Choreografie leichten Sinnes mit den Noten, reiht die Bewegungen spielerisch aneinander, lässt den Tanz sich an die Musik zärtlich schmiegen. Das ist ein ästhetischer Genuss.

Der Abend kann begeistern und ergreifen. Doch seine große Emotionalität ist vor allem der Musik Verdis geschuldet. Der Tanz, so schön er ist, fügt dem wenig eigene Akzente hinzu, bringt selten eine eigene Spannung hinein.

Seit im Januar 2020 Sasha Waltz und Johannes Öhmann ihre Intendanz am Staatsballett Berlin vorzeitig aufgaben, hatte das Ensemble keine einfache Zeit. Mit der Intendanz von Christian Spuck sollte es nun ein stärkeres eigenes Profil erhalten. Der Auftakt mit Verdis „Messa Da Requiem“ setzt zwar ein starkes Zeichen, ist aber ausgerechnet in choreografischer Hinsicht auch etwas enttäuschend traditionell.

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