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Verdienen statt verkaufen

■ ÖTV stellt ihr Modell zur Überwindung der Berliner Finanzkrise vor: Das Landesvermögen soll in einer neuen Verwertungsgesellschaft Gewinne abwerfen

Die Kuh nicht schlachten, sondern melken. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat gestern vorgeschlagen, eine neue Landesgesellschaft zur Verwertung öffentlichen Kapitals einzurichten. Die Institution soll Gewinne von landeseigenen Firmen wie der Bewag einziehen und mit geschickter Verwaltung vermehren. Mit der neuen Gesellschaft könnten sechs Milliarden Mark als Kredit aufgenommen werden, um die Löcher im Landeshaushalt 97 zu stopfen.

„Wir plädieren für eine wirkliche Aktivierung des Vermögens“, sagte ÖTV-Chef Kurt Lange. Er sprach sich gegen den Verkauf von landeseigenen Betrieben aus, weil sich der Senat damit für die Zukunft selbst seiner Einnahmen und des politischen Einflusses beraube.

Die neue Gesellschaft soll vom Senat den Auftrag erhalten, die Erträge zunächst folgender Firmen einzuziehen: Stadtreinigung (BSR), Wasserbetriebe (BWB), Hafenbetriebe (Behala), Bewag und Bankgesellschaft Berlin. BSR und Behala müssen nächstes Jahr vier Prozent des landeseigenen Grundkapitals an den Senat als Verzinsung abführen. Bei den Wasserbetrieben sind es 5,2 Prozent. Die Bewag (56,8 Prozent Landesbesitz) zahlt rund 45 Millionen Mark Dividende und die Bankgesellschaft rund 130 Millionen. Diese Einnahmen summieren sich 1997 nach Angaben der ÖTV auf 360 Millionen Mark.

Wenn nun das Land zusätzlich sechs Milliarden Mark Kredit zur Haushaltssanierung aufnimmt, kann es mit den 360 Millionen die Zinsen bezahlen. Außerdem bleibt noch etwas zur Tilgung des Darlehens übrig. Der Vorteil dieser Konstruktion: Die Betriebe bleiben beim Land, und ihre Gewinnausschüttung steht jedes Jahr wieder neu zur Verfügung, um die Zinsen für neue Kredite zu bezahlen. Verkaufen könne man die Betriebe dagegen nur einmal. Schon 1998 sei wieder ein Haushaltsloch zu stopfen, während das Landesvermögen aber immer mehr abnehme. Die ÖTV will auch die Verwertung landeseigener Grundstücke der Gesellschaft übertragen. Bislang gebe es keinen Überblick, welche Immobilien das Land besitze, sagte ÖTV-Chef Lange.

Ein Problem stellt allerdings das in der Landesverfassung niedergelegte Gebot dar, daß die Schuldenaufnahme des Landes die Investitionen im Prinzip nicht überschreiten darf. Für 1997 soll laut Haushaltsplan dieser Grundsatz bei Investitionen von 5,2 Milliarden und einer Neuverschuldung von 5,45 Milliarden Mark gerade noch berücksichtigt werden. Kommen aber nach dem ÖTV-Vorschlag noch die zusätzlichen sechs Milliarden Mark hinzu, wäre das Verfassungsgebot verletzt. Doch da zieht sich die Gewerkschaft so aus der Affäre: Die neue Gesellschaft zur Verwertung des Landesvermögend sei schließlich formell aus dem Landeshaushalt ausgegliedert. Die höhere Schuldenaufnahme gehe damit nicht auf das Konto des Senats, erklärte ÖTV- Sprecher Ernst-Otto Kock.

„Für uns ist eine höhere Verschuldung nicht akzeptabel“, ließ postwendend Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing erklären. Sie plant, 1997 landeseigenes Vermögen im Wert von rund 5,78 Milliarden Mark zu verkaufen. Dabei sollen allein drei Milliarden Mark durch den Verkauf sämtlicher Bewag-Anteile erzielt werden. Hannes Koch

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