Verdacht der Vorteilsnahme: Wulff muss vor Gericht
Nächster öffentlicher Auftritt im Gerichtssaal: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff muss sich wegen des Vorwurfs der Vorteilsnahme verantworten.
HANNOVER dpa | Erstmals in Deutschland muss sich ein früherer Bundespräsident vor Gericht verantworten. Wie die Deutschen Presse-Agentur und Spiegel Online übereinstimmend berichten, hat das Landgericht Hannover am Dienstag entschieden, ein Verfahren wegen Vorteilsnahme gegen Christian Wulff zuzulassen. Das Gericht hatte seine Entscheidung den Anwälten in einer 14-seitigen Stellungnahme mitgeteilt. Auf Anfrage wollte sich es sich aber zunächst nicht öffentlich zu der Entscheidung äußern.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte Wulff zunächst im April wegen Bestechlichkeit angeklagt, den Filmproduzenten David Groenewold wegen Bestechung. Das Gericht stufte die Vorwürfe nun auf Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung herunter. Während Vorteilsnahme mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann, sieht das Strafgesetzbuch für Bestechung bis zu fünf Jahre Haft vor.
Prozessbeginn ist voraussichtlich der 1. November. Dies hatte das Gericht den Verteidigern bereits vor einigen Wochen für den Fall einer Zulassung in Aussicht gestellt. Nach dpa-Informationen sind zunächst 16 Verhandlungstage angesetzt.
Groenewold hatte 2008 einen Teil der Kosten für einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff in München übernommen. Wulff, damals niedersächsischer Ministerpräsident, wusste davon nach eigenen Angaben nichts. Es geht um etwas mehr als 750 Euro.
Wulffs Anwälte schweigen
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Groenewold Wulff motivieren wollte, für eines seiner Filmprojekte um Geld zu werben. Das tat Wulff einige Wochen später auch.
Während die Anwälte Wulffs zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen waren, reagierten die Verteidiger Groenewolds enttäuscht. „Die Verteidigung bedauert, dass sich das Landgericht Hannover nur zu einer Herabstufung der Vorwürfe entscheiden konnte und nicht, wie beantragt, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat“, sagte Rechtsanwalt Bernd Schneider.
Die Anklageerhebung ist der vorläufige Höhepunkt in der seit mehr als 19 Monaten andauernden Wulff-Affäre. Die Staatsanwaltschaft hatte am 16. Februar 2012 infolge von Medienberichten den Antrag auf Aufhebung der Immunität des damaligen Bundespräsidenten gestellt. Daraufhin war dieser einen Tag später vom Amt des Staatsoberhauptes zurückgetreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation