: Verbrechen der Roten Khmer vor Gericht?
UNO-Ausschuß schlägt Einrichtung eines UNO-Tribunals zur Untersuchung der Verbrechen von 1975 bis 1979 vor. US-Angriffe auf Kambodscha und andere Begleitumstände kein Thema. China kündigt Veto an ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) – Zur Untersuchung von Völkermord und Kriegsverbrechen der Roten Khmer in Kambodscha in den Jahren 1975 bis 1979 soll ein UNO-Tribunal eingerichtet werden. Die Institution folgt dem Vorbild der beiden existierenden Tribunale zu Exjugoslawien und Ruanda. Zu diesem Ergebnis kommt der im letzten Jahr wesentlich auf Betreiben der USA eingesetzte UN- Expertenausschuß zur Prüfung dieser Frage.
In seinem Bericht, der letzte Woche an Kambodschas Ministerpräsident Hun Sen übergeben wurde, aber frühestens im April veröffentlicht werden soll, empfiehlt der Ausschuß Verfahren gegen rund ein Dutzend ehemaliger Führer der Roten Khmer, darunter gegen Nuon Chea, den ehemaligen Stellvertreter des verstorbenen Regimechefs Pol Pot. Andere für Verbrechen verantwortliche oder beschuldigte Personen sollen vor einer separaten Wahrheitskommission nach südafrikanischem Muster erscheinen.
Der UNO-Ausschuß befaßte sich ausschließlich mit den Verbrechen der Roten Khmer. Zum Umgang mit anderen Verbrechen, die wichtige Begleitumstände oder gar (mit) ursächlich für das Regime der Roten Khmer waren – insbesonders die schweren Bombenangriffe der USA auf Kambodscha Anfang der 70er Jahre –, gab der Ausschuß keine Empfehlung ab.
Ein Kambodscha-Tribunal müßte – ähnlich wie in den Fällen Exjugoslawien und Ruanda – vom UNO-Sicherheitsrat eingesetzt werden. Doch China, in den 70er Jahren der wichtigste Unterstützer der Roten Khmer, hat gegenüber der Clinton-Administration inzwischen sein Veto angekündigt. Die Regierung in Peking betrachtet die von den Roten Khmer verübten Verbrechen als interne Angelegenheit Kambodschas. Auf ein Veto verzichten will China nur, wenn die kambodschanische Regierung den UNO-Sicherheitsrat offiziell um die Einsetzung eines Tribunals ersucht. Damit ist nach diversen, widersprüchlichen Aussagen Hun Sens in den letzten Monaten allerdings nicht zu rechnen.
Für den Fall, daß ein Beschluß des Sicherheitsrates wegen des Vetos eines seiner fünf Mitglieder nicht zustande kommt, schlägt der UNO-Ausschuß vor, die Generalversammlung über die Einsetzung eines Kambodscha-Tribunals entscheiden zu lassen. Dies würde allerdings einen Präzedenzfall setzen, den alle fünf ständigen Ratsmitglieder gerne vermeiden möchten. Denn in der Generalversammlung wären auch durchaus Initiativen – und möglicherweise sogar Mehrheiten – vorstellbar für die Einsetzung von Tribunalen zu den Völkermord- und Kriegsverbrechen der USA in Vietnam, der ehemaligen Sowjetunion in Afghanistan oder Frankreichs in Algerien.
Allerdings ist der Ausgang einer eventuellen Debatte in der Generalversammlung über die Einsetzung eines Kambodscha-Tribunals schwer absehbar. Die USA, bislang Hauptbetreiber der Idee, haben wegen ihrer Ablehnung eines Internationalen Strafgerichtshofes und ihrer eigenen Rolle in Südostasien während der 70er Jahre große Glaubwürdigkeitsprobleme. Ebenso wie alle anderen Westmächte und die damalige Sowjetunion hatten die USA das Regime der Roten Khmer anerkannt und auch den Sitz Kambodschas in der UNO bis 1979 nicht in Frage gestellt. Danach lehnte Washington fast 20 Jahre alle Appelle Hun Sens für die Einrichtung eines Kambodscha-Tribunals ab. Noch keine abschließende Meinung zu dem Tribunal hat bislang der Generalsekretär der UNO, Kofi Annan.
Vor der Wahrheitskommission nach südafrikanischem Muster sollen neben Beschuldigten und Verantwortlichen für Verbrechen auch Opfer und Zeugen auftreten können. „Das ist eine gute Balance zwischen den beiden Zielen Gerechtigkeit und nationaler Versöhnung“, sagte Craig Epcheson, Ex- Vorsitzender des Kambodscha- Dokumentationszentrums. Dieses Zentrum mit Sitz in den Vereinigten Staaten hatte in den letzten dreißig Jahren Beweise für die Kriegs- und Völkermordverbrechen während des Regimes der Roten Khmer gesammelt.
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