Verbraucherschutz in der Gastronomie: Keine Ampel für die Hygiene
Eine einheitliche Kennzeichnung der Hygienebedingungen von Gaststätten wird es nicht geben. Die Bundesländer können sich nicht einigen.
BERLIN taz | So mühsam ist Föderalismus manchmal. Wenn der Verbraucher Pech hat, kommt es mit der Hygieneampel so wie mit dem Nichtraucherschutz: Dann erarbeiten alle 16 Bundesländer einzelne Regelungen darüber, wie sie mit der Veröffentlichung von Ergebnissen der Lebensmittelkontrollen in Gaststätten oder Bäckereien umgehen.
Das ist offenbar das Ergebnis monatelanger Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, Verbraucher- und Wirtschaftsministerien. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus den Bundesländern: Da einige ihrer Wirtschaftsressorts fürchten, verpflichtende Auszeichnungen könnten betroffene Firmen an den Pranger stellen, droht ein regionaler Flickenteppich.
„Das ist das Aus für die Hygieneampel und eine Kampfansage an die Verbraucher, die Gammelfleischhändlern und Hygienesündern wie Müller-Brot weiterhin selbst dann ausgeliefert sein werden, wenn die Behörden längst über die Zustände Bescheid wissen“, sagte Matthias Wolfschmidt, Vizegeschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Freiwillige Regelungen brächten wenig. Das habe sich bereits in Nordrhein-Westfalen gezeigt. Dort hatten sich nur wenige Betriebe beteiligt, Sünder wollten nicht freiwillig über negative Kontrollergebnisse informieren.
Die verantwortlichen Minister schützten „offenbar lieber die Schmuddelbetriebe vor den Verbrauchern als die Verbraucher vor den Schmuddelbetrieben“, kritisiert Foodwatch. Eine freiwillige Lösung sei „Unsinn, weil Verbraucher die schwarzen Schafe dann nicht erkennen können“, sagt auch der Vorstand des Bundesverbands Verbraucherzentralen, Gerd Billen.
Geheime Ergebnisse statt offener Smileys
Jahr für Jahr wird laut Foodwatch bundesweit jeder vierte kontrollierte Lebensmittelbetrieb beanstandet. Bislang bleiben die Ergebnisse der Kontrollen durch Ordnungs- oder Gesundheitsämter jedoch geheim. Mit Einführung der Hygieneampel sollte ein Aushang vor Ort über die Ergebnisse informieren und entweder Grün oder ja nach Grad der Beanstandung Gelb oder Rot anzeigen. Vorbild ist Dänemark: Hier informieren seit Jahren Smileys über die Kontrollergebnisse. Dadurch konnten die Quote der Beanstandungen kontinuierlich gesenkt werden.
Nachdem das aggressive Darmbakterium Ehec im vergangenen Jahr zu rund 50 Todesfällen geführt hatte, wollten die Verbraucherschutzminister der Länder die Hygieneampel einführen. Doch schnell hagelte es Kritik vonseiten der Betriebe. Sie fürchten die Wirkung der Auszeichnungen: Wer einmal schlecht bewertet worden sei, habe kaum noch eine Chance, sein Image beim Kunden zu verbessern, hieß es in einer Stellungnahme des Bäckerverbands.
Es gebe nicht genug Kontrollen, um die Vergleichbarkeit der Bewertungen sicherzustellen, sagte ein Sprecher des FDP-geführten niedersächsischen Wirtschaftsministeriums zur taz. Deshalb habe man sich auf Staatssekretärsebene gegen die Hygieneampel ausgesprochen. Endgültig entscheiden sollen die Verbraucherschutzminister erst im September. „Nur wenn sich die Länder einig sind, kann das Bundesverbraucherministerium eine bundeseinheitliche Regelung auf den Weg bringen“, sagte eine Sprecherin von Ministerin Ilse Aigner (CSU).
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