Verband in der Krise: Die Bauernbasis meutert
Bauernverbandspräsident Sonnleitner muss derzeit an vielen Fronten kämpfen: Die EU will Subventionen kürzen und dem Verband laufen die Mitglieder in Scharen weg.
Das Motto hört sich so an, als gebe es kein Problem: "Tradition, Verantwortung, Zukunft". Der Deutsche Bauernverband hat für diesen Montag und Dienstag zum Bauerntag nach Berlin geladen. 60 Jahre wird die Standesorganisation, und ihr Präsident Gerd Sonnleitner feiert sie als "stark", und "geschlossen". Doch Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sieht das ganz anders: "Wenn man auf dem Lande an Bedeutung verliert, dann muss man in die Stadt gehen. Da werden alle Ortsverbände verpflichtet, die Busse voll zu machen".
300.000 Mitglieder hat der Deutsche Bauernverband. Doch viele scheinen der Politik ihrer Lobby überdrüssig zu sein. Bestes Beispiel sind die Milchbauern. Streik, Boykott, Blockade, das war lange Zeit ein Fremdwort für Bauern. Dann kam der BDM, der Verband der Milchbauern. Ihm schlossen sich in kürzester Zeit 30.000 Landwirte an. Und er holte in wenigen Monaten mehr raus als der Bauernverband in Jahren. Discounter und Supermärkte ließen sich auf höhere Preise ein.
Aber nicht nur die Milchbauern, auch andere scheren aus. Schon seit Jahren gibt es die Interessengemeinschaft der Schweinehalter. Und erst im April gründeten rund 350 Züchter und Mäster aus Bayern den Bundesverband Deutscher Fleischerzeuger. Nur die Getreidebauern beklagen sich nicht.
Felix Prinz zu Löwenstein ist zwar noch Mitglied im Bauernverband. Er hat einen Biohof mit 130 Hektar Acker in Südhessen. Doch wenn man ihn fragt, was ihn in der Standesorganisation hält, dann sagt er: "Ich will mich von den örtlichen Kollegen nicht absondern."
Außerdem bietet der Bauernverband Service. Landwirte, die einen Hof übernehmen oder Fördergelder beantragen wollen, können sich in den regionalen Geschäftsstellen juristischen Rat holen. "Davon sind viele abhängig", meint Reinhild Benning vom Umweltverband BUND. Darum hätten viele Landwirte eine Doppelmitgliedschaft - Service beim Bauernverband, politische Vertretung woanders. Zu Löwenstein zum Beispiel ist Vorsitzender des Bunds für ökologische Lebensmittelwirtschaft.
Biobauern haben schon vor Jahrzehnten ihre eigenen schlagkräftigen Verbände gegründet. 98 Prozent aller Mitglieder im Bauernverband wirtschaften dagegen konventionell. "Der Bauernverband will uns bei sich haben", meint zu Löwenstein, aber das gehe nicht. Er nennt drei Beispiele: Die EU-Kommission will die Agrargelder anders verteilen - und Bauern stärker belohnen, die die Umwelt schonen. Doch dagegen, so Löwenstein, "stemmt sich der Bauernverband".
Außerdem hat die EU-Kommission vor kurzem fünf Prozent aller Ackergifte verboten, weil diese Krebs erzeugen oder das Erbgut ändern. "Kein Wort dazu von Sonnleitner", kritisiert Biobauer Löwenstein. Oder die Gentechnik: Das Gros der Bauern, auch diejenigen, die konventionell arbeiten, lehnen Pflanzen aus dem Genlabor ab. Doch der Bauernverband hält sich zurück. Zu Löwenstein meint: "Er fühlt sich den Saatgutzüchtern verbunden." Der Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter ist assoziiertes Mitglieder des Bauernverbandes.
"Der Bauernverband hat sich für die kleinen nie wirklich interessiert, sondern nur für die Großen", meint Bärbel Höhn, Vizefraktionschefin der Grünen im Bundestag. Sonnleitner ficht Kritik jedoch wenig an. Es sei "nicht leicht, eine Einheitspartei zu führen". Doch "die Vernunft" werde sich "durchsetzen", sagt er. "Wir werden als geschlossener Verband das breite Feld besetzen." Von der Politik forderte er am Montag ein "Kostenentlastungsprogramm" für Bauern. Die Regierung solle zum Beispiel die Steuern für Agrardiesel senken, damit Landwirte billiger Trecker fahren können. Bärbel Höhn: "Der Bauernverband muss aufpassen, dass ihm nicht immer mehr Mitglieder davonlaufen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
G20-Gipfel in Brasilien
Milei will mit Kapitalismus aus der Armut
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört