Veränderung des Osnabrücker Stadions: Fußballromantik aus Stein
Die Initiative Mythos Bremer Brücke fordert, dass das Stadion des VfL Osnabrück erhalten wird. Baumaßnahmen sind wegen den Auflagen der DFL nötig.
Harpenau engagiert sich dagegen in der Initiative „Mythos Bremer Brücke“. Das Stadion des VfL Osnabrück ist zusammengewürfelt. An vielen Stellen wurde angebaut und modernisiert. An vielen Ecken verströmt das Stadion noch den Geruch der goldenen Siebziger, in denen der Verein schon einmal zweitklassig gespielt hat – an manchen Stellen riecht es aber auch einfach nach Pisse.
„Die Toiletten sind auf dem Stand der 70er-Jahre“, sagt Harpenau. Für ihn hat dieses Stadion trotz seines Zustands einen ganz eigenen Mythos. Das beginnt für den 49-jährigen Projekt-Ingenieur schon bei der Anreise zum Stadion. Das Arbeiterviertel Schinkel sei „nicht das schickste Viertel der Stadt“. Aber hier gebe es Kneipen oder Buden, wo man vor dem Spiel mit anderen Fans ein Bier trinken könne, sagt Harpenau. „Ich kann mit dem Fahrrad zum Fußball fahren.“
Viele Dinge am und im Stadion seien improvisiert. Und genau das mache die Bremer Brücke einzigartig und sympathisch. „Das ist ein Gegensatz zu den durchgestylten Arenen in anderen Städten.“
In die Jahre gekommen
Die DFL fordert jedoch, dass sich der Verein den anderen Klubs annähert. Nachdem der VfL in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist, drängt die Liga auf zahlreiche Sanierungsmaßnahmen. Unter anderem muss der VfL das Stadiondach erweitern und die Flutlichtmasten aufrüsten, damit genügend Licht für die TV-Übertragungen vorhanden ist.
Keine Frage: Das Stadion an der Bremer Brücke ist in die Jahre gekommen. Aber Harpenau wünscht sich einen nachhaltigen und wirtschaftlich sinnvollen Umbau. Die Auflagen der DFL seien zu hart. Mehr noch: Die oberen Ligen seien eine Art „Closed Shop“. Als Beispiel führt er den SV Rödinghausen an. Der aktuelle Tabellenführer der Regionalliga West verzichtet auf einen möglichen Aufstieg in die 3. Liga mit dem Argument, die wirtschaftlichen Auflagen des DFB seien nicht sinnvoll. „Wir müssen erst in Beine und nicht in Steine investieren, damit sich der Verein in der 2. Liga etablieren kann“, sagt Harpenau über den VfL.
Auch Heiko Schulze ist Osnabrück-Anhänger. Jeder Fan werde sagen, dass das Stadion seines Vereins einzigartig sei, so der Historiker. „Aber die gewachsene Architektur gibt der Bremer Brücke ein Gepräge.“ Der 65-Jährige geht seit 1965 ins Stadion. Er erzählt davon, dass sich die Mannschaften früher in einer benachbarten Schule umgezogen haben und in der Halbzeit auf dem Platz blieben.
Eine in Stein gemeißelte Erinnerung ist „Omas Ecke“. So wird der Eckbereich zwischen der Nord- und der Westtribüne bezeichnet, der seit dem Wiederaufbau des Stadions nach dem Zweiten Weltkrieg offen blieb. Das Grundstück gehörte einer mittlerweile verstorbenen Frau, die es nicht verkaufen wollte – die Erben ebenso wenig. Schulze erinnert sich daran, dass vor neun Jahren ein 20 Meter hoher Turm, der sogenannte „VIP Tower“, in diese Ecke gebaut werden sollte. Dort sollten zahlungskräftige Edelfans „thronen“. „Damit hätte sich der VfL der Lächerlichkeit preisgegeben“, sagt Schulze. „Diese VIPs hätten so wie einst der Adel über dem Volke gesessen.“
Signale aus dem Rathaus
Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet, dass ein Stadionneubau im Stadtteil Gartlage im Gespräch sei. Seitens des VfL wird von einem „Vollumbau“ gesprochen. Geschäftsführer Jürgen Wehlend betonte in der Vergangenheit immer wieder, dass die Bremer Brücke ligaunabhängig in der jetzigen Form nicht zukunftsfähig sei.
Aus dem Osnabrücker Rathaus sind Signale zu vernehmen, die als Votum für einen Stadionneubau verstanden werden können. Für Harpenau wäre ein neues Stadion buchstäblich ein „No Go“. Er möchte nicht in eine Event-Arena gehen. Denn: „An der Bremer Brücke ist man auf einem Fußballplatz.“
Diesen Heimvorteil hätte der VfL gestern wohl gern genutzt. Beim Auswärtsspiel gegen den Karlsruher SC reichte es nur für ein 1:1.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links