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(Ver-)führung zum Theater

■ Stück für Stück durch einen langen Theaterabend: Die „Schwarzen Nächte II“ im carrousel theater an der Parkaue

„Bezahlt wird nicht!“ steht in großen Lettern an der Kasse des carrousel theaters an der Parkaue. Leider nur der Titel eines Stückes im Theatermarathon „Schwarze Nächte II“, muß doch der Besucher eine Karte kaufen. Verheißen wird ihm dafür sechs Stunden „totales Theater“ mit Werken des italienischen Autorenpaares Dario Fo und Franca Rame.

Im Foyer empfangen Mitarbeiter des Theaters den Schaulustigen wie einen langentbehrten Gast, laden ihn ins Theater ein und führen ihn Stück für Stück durch den Abend. Die freundliche, perfekte Organisation sorgt nicht nur für den reibungslosen und doch nicht hektischen Ablauf der Programmpunkte, sondern schafft auch eine Atmosphäre der Offenheit für Gespräche, Raum für Stücke, Lust aufs Schauspiel. Zu Beginn kann der Zuschauer wählen zwischen der „Tigergeschichte“ und „Bezahlt wird nicht“, nach einer Pause mit erlesenen kulinarischen Genüssen aus Italien (entgegen dem Motto an der Kasse zu gesalzenen Preisen) folgen zehn Monologe. Den Abend beschließt die clowneske, musikalische „Frau zum Wegwerfen“, eine satirische Hommage an „den Zirkus Amerika“.

In Franca Rames Monologen, 1977 unter dem Sammeltitel „Nur Kinder, Küche, Kirche“ entstanden, schildern zehn Frauen ihre ganz unterschiedlichen Erlebnisse und Gefühle. Die Autorin verarbeitet zum Teil ihre eigenen Erfahrungen bei einer Entführung und Mißhandlung 1973. Unter ernstzunehmenden Warnungen, die Köpfe einzuziehen, werden wir grüppchenweise an verschiedene Spielorte im dunklen Bauch des Theaters gebracht. Da die Monologe zum Teil parallel laufen, kann jeder einzelne nur zwei davon sehen. So müssen Petra Kelling und Antje von der Ahe stellvertretend für die anderen Schauspielerinnen genannt werden, die Rames Frauen verkörpern. Ohne Kulisse, alltäglich gekleidet, ziehen sie das Publikum mit Spiel und Sprache in die Geschichte hinein. Petra Kelling spielt Ulrike Meinhof in ihrer Einzelzelle. So greifbar wird ihre Verzweiflung im leeren schwarzen Raum, daß die Zuschauer die Leistung der Schauspielerin damit würdigen, gerade hier nicht zu applaudieren.

Nach der Nachdenklichkeit dieser Stücke setzt Regisseur Peter Schroth für uns Dario Fos furiose „Frau zum Wegwerfen“ in Szene. Um den Kühlschrank als Wohlstands- und Fortschrittssymbol im Mittelpunkt des Geschehens tanzen und singen die Schauspieler zu mitreißender Musik mit atemberaubender Geschwindigkeit durch Amerikas Geschichte. Als Allegorie des Staates und seiner Präsidenten muß die personifizierte, alternde Amerika, „das alte Wrack“ (Fo), wechselvolle Zeiten erleben. Silke Matthias spielt sie naiv, lasziv und dekadent. Als sie „ihre schönste Rolle“, die Freiheitsstatue, wegen Altersschwäche nicht mehr darstellen kann, wird Amerika zu Grabe getragen und muß den großen Suppenlöffel abgeben. So weit, so witzig, flott und amüsant. Doch leider, leider wurde zum Schluß Fos satirisch funkelnder, trotz seiner Bissigkeit spritzig leichter, zwanzig Jahre alter Text durch die aktuelle amerikanische Geschichte ergänzt. Da jagen sich die Präsidenten, die Bühne starrt vor Waffen, die Umweltverschmutzung droht, der moralische Zeigefinger erhebt sich! Das Publikum murrt leise („Diese gesellschaftskritischen Klischees kann ich nicht mehr hören!“) und spendet nur müden Applaus am Ende dieses insgesamt aufregenden Theaterabends. Uta von Arnim

Weitere Vorstellungen am 7., 8., 14. und 15. Mai um 18 Uhr im carrousel theater an der Parkaue.

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