Venezuelas Präsident schwer erkrankt: Wird Hugo Chávez überleben?
Venezuelas Präsident liegt schwer erkrankt auf Kuba. Weil es keine genauen Informationen gibt, wird spekuliert, ob das Ende seiner Amtszeit gekommen ist.
BERLIN taz | Am 10. Januar soll Hugo Chávez für eine vierte Amtszeit als Präsident Venezuelas vereidigt werden. Eigentlich. Denn am Sonntag trat Vizepräsident Nicolás Maduro in Havanna vor die Presse und verlas ein Kommuniqué, in dem er von neuen gesundheitlichen Problemen des krebskranken Staatschefs sprach. Er sprach von „neuen Komplikationen“, nannte den Zustand von Chávez „delikat“ und seine Behandlung nicht ohne Risiken.
In Venezuelas Hauptstadt Caracas wurden die traditionellen Neujahrsfeierlichkeiten auf der Plaza Bolívar abgesagt, die bereits errichtete Bühne für das geplante Konzert wieder abgebaut. Das Kabinett versammelte sich stattdessen – wie Tausende Chávez-AnhängerInnen im ganzen Land – zu einer Messe, um für die Gesundheit ihres Präsidenten zu beten.
Chávez war am 11. Dezember in Kuba operiert worden, nachdem neue Krebszellen gefunden worden waren. In den Tagen nach der Operation erkrankte er an einer Lungenentzündung, sein Zustand wurde allerdings später als stabil beschrieben.
Genauere Informationen gibt es nicht, und das öffnet jeder Art von Spekulationen Tür und Tor. „Es ist unmöglich, dass Chávez noch einmal das Amt des Präsidenten ausübt“, sagte der deutsche Soziologe Heinz Dieterich im Interview. Dieterich war viele Jahre ein enger politischer Berater von Chávez und gilt als dessen politischer Mentor und Erfinder des Konzepts vom „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“.
Venezuelas Regierung ihrerseits verwahrt sich gegen solche Aussagen. „Landsleute, glaubt üblen Nachreden und Gerüchten nicht“, twitterte Venezuelas Minister für Wissenschaft und Technik, Jorge Arreaza, am Silvestertag aus Havanna. „Präsident Chávez hat den Tag ruhig und stabil im Kreise seiner Kinder verbracht“, schrieb Arreaza, der mit einer Tochter von Chávez verheiratet ist.
Szenarien für Leben und Tod
Wenn Chávez die nächsten Tage oder Wochen nicht überleben sollte, ist das Prozedere eindeutig, und das hat der Präsident vor seiner Abreise nach Havanna am 8. Dezember selbst klargestellt: Innerhalb von 30 Tagen müssten Neuwahlen stattfinden, bei denen nach Chávez’ Wunsch sein Vizepräsident Nicolás Maduro für die regierende Sozialistische Einheitspartei Venezuelas antreten solle. Bis dahin müsste laut Artikel 233 der Verfassung der Präsident der Nationalversammlung, derzeit Diosdado Cabello, die Amtsgeschäfte übernehmen.
Was passiert aber, wenn Chávez lebt, am 10. Januar jedoch nicht in Venezuela vereidigt werden kann? In Artikel 231 der venezolanischen Verfassung heißt es, der gewählte Kandidat müsse am 10. Januar des ersten Jahres der neuen Amtszeit „durch Vereidigung vor der Nationalversammlung das Amt des Präsidenten oder der Präsidentin der Republik“ antreten. Sollte er, „gleich aus welchem Grund, nicht vor der Nationalversammlung das Amt antreten können, so geschieht dies vor dem Obersten Gerichtshof“.
Ein Ort, argumentierten jetzt manche, sei nicht festgelegt – vielleicht könnte der Oberste Gerichtshof die Vereidigung auch am Krankenbett in Havanna abnehmen? Die Regierung hat angedeutet, die Vereidigung gegebenenfalls verschieben zu wollen. Allerdings hat sie nicht gesagt, auf welcher verfassungsmäßigen Grundlage das passieren könnte – der Verfassungstext sieht diesen Fall nicht vor.
Die Opposition ist in dieser Frage gespalten. Der bei den Wahlen am 7. Oktober als gemeinsamer Kandidat der Opposition unterlegene Gouverneur des Bundesstaates Miranda, Henrique Capriles von der Partei Primero Justicia, gab sich konziliant. Er könne sich eine Verschiebung vorstellen.
Sein Parteifreund Julio Borges verwies hingegen auf die Verfassung, die den Weg klar vorschreibe. Ähnlich äußerten sich auch andere Oppositionelle – allerdings bedacht darauf, den Eindruck zu vermeiden, sie wollten aus Chávez’ Erkrankung politisches Kapital schlagen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart