Stimme aus Venezuela: Wo Ökosozialismus draufsteht, ist Umweltzerstörung drin
Die venezolanische Regierung verliert gern Worte über Mutter Erde. Aber tatsächlich unterstützt sie weiter Bergbau und Ölförderung.
D ie UN-Klimakonferenz findet dieses Jahr in Belém statt, einer brasilianischen Millionenstadt im Amazonas-Regenwald. Die taz Panter Stiftung hat zu diesem Anlass zehn Journalist*innen aus allen acht Staaten in Amazonien nach Berlin eingeladen, um sich zu vernetzen, an Seminaren teilzunehmen und voneinander zu lernen. In der Kolumne „Stimmen aus Amazonien“ berichten sie davon, wie sie und ihre Landsleute auf den Gipfel in Belém blicken.
Venezuela hat 2021 sein Klimaziel vorgelegt: Bis 2030 will das Land seine Treibhausgasemissionen um 20 Prozent reduzieren – aber nicht verglichen mit einem konkreten Jahr, sondern mit einem Szenario ohne Klimaschutz-Maßnahmen. Der Schwerpunkt liegt darauf, Gasflaring zu vermeiden – das Abfackeln von Gas bei der Ölförderung. Seit 2021 hat das Land jedoch keine Aktualisierungen oder Berichte vorgelegt. Während die internationale Gemeinschaft über Fortschritte diskutiert und Klimafinanzierung koordiniert, behält Venezuela einen ideologischen Ansatz bei.
In den letzten Jahren hat Venezuela sich lieber politisch positioniert, statt über technische Themen wie Finanzierung, Anpassungsmechanismen oder Kohlenstoffmärkte zu diskutieren. Das hat dazu geführt, dass das Land klimapolitisch hinter lateinamerikanischen Volkswirtschaften wie Kolumbien, Chile oder Mexiko zurückgefallen ist, die in ihren Dekarbonisierungsprozessen Fortschritte machen.
Der offiziellen Darstellung der Regierung zufolge sind es jedoch Sanktionen und Druck von außen, die es Venezuela erschweren, seine Ziele zu aktualisieren und das Land in multilaterale Mechanismen einzubinden.
Während einer Vorbereitungskonferenz zum UN-Klimagipfel bekräftigte die venezolanische Delegation unter der Leitung des Ministers für Ökosozialismus, Ricardo Molina, diese Haltung. Er prangerte an, dass es „grüner Kolonialismus“ sei, Klimaschutz mit Regeln und Sanktionen durchzusetzen. Entscheidungen über CO₂-Ausstoß fielen „in die ausschließliche Zuständigkeit der einzelnen Staaten“.
Die Rhetorik verträgt sich nicht mit der Realität
Diese Haltung spiegelte sich auch auf einem Ministertreffen Lateinamerikas und der Karibik zur Umsetzung regionaler Klimaschutzmaßnahmen wider. Obwohl Venezuela die Erklärung unterzeichnete, fügte es eine Fußnote hinzu: „Wir sind der Ansicht, dass der Verweis auf fossile Brennstoffe zu Maßnahmen führen kann, die in die Souveränität einzelner Staaten eingreift“, heißt es in dem Dokument.
Diese Distanz zum regionalen Konsens wird ergänzt durch eine Erzählung von „unterschiedlicher“ Verantwortung, Ökosozialismus und der Verteidigung der Natur. Die Rhetorik der Klimagerechtigkeit, die Venezuela seit der UN-Klimakonferenz 2021 vertritt, steht jedoch im Widerspruch zur Realität: Das Land legt keine Anpassungsberichte vor, berichtet nicht über seine CO₂-Emissionen und hält an Vorhaben wie dem Bergbau in Amazonien und der Wiederbelebung der Ölförderung fest, die dem Klimaschutz zuwiderlaufen.
Dennoch beharrt die Regierung auf ihrem „ökosozialistischen Plan“, den Plan de la Patria 2025, der Nachhaltigkeit verspricht, ohne auf fossile Brennstoffe als Motor der Entwicklung zu verzichten.
Während Lateinamerika gemeinsame Positionen vereinbart und Brasilien die Umweltpolitik global vorantreibt, bleibt Venezuela außen vor. Die Frage ist, ob das Land in Belém den Klimadiskurs weiter als Angriff auf seine Souveränität begreift oder ob es sich dem Prozess anschließt, der – mit oder ohne die Stimme Venezuelas – die Zukunft der Region bestimmen wird.
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