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VattenfallAtomchef stillgelegt

Der Energiekonzern zieht erste personelle Konsequenzen und feuert zwei Topmanager. Einer davon ist Atomchef Thomauske.

Unsanfter Abgang: Bruno Thomauske, Chef der deutschen Atom-Tochter Vattenfall Europe Nuclear Energy, verlässt den Konzern. Bild: dpa

BERLIN taz Drei Wochen nach dem Brand im Atomkraftwerk Krümmel hat der Energiekonzern Vattenfall personelle Konsequenzen gezogen. Bruno Thomauske, Chef der deutschen Atom-Tochter Vattenfall Europe Nuclear Energy, werde von seiner Funktion entbunden und verlässt das Unternehmen, teilte der Vorstand am Montag nach einer Krisensitzung mit. Auch Johannes Altmeppen, Leiter der Konzernkommunikation von Vattenfall Europe, hat seinen Rücktritt erklärt. Beide Stellen werden zunächst nur kommissarisch vertreten; Nachfolger stehen noch nicht fest. Der ebenfalls unter Druck stehende deutsche Vattenfall-Chef Klaus Rauscher bleibt im Amt.

Mit den Entlassungen reagiert der Energiekonzern auf den gefährlichen Brand im AKW Krümmel und auf die misslungene Öffentlichkeitsarbeit in den darauf folgenden Wochen. Nach dem Feuer in einer Trafostation hatte Vattenfall die Folgen zunächst heruntergespielt. Thomauske selbst hatte behauptet, der Reaktor selbst sei nicht betroffen gewesen, was sich später als unwahr herausstellte.

Nach Angaben der Kieler Atomaufsicht, die derzeit die Zuverlässigkeit von Vattenfall überprüft, hat die Entlassung Thomauskes keinen Einfluss auf das weitere Verfahren. "Die Kritik der Atomaufsicht ist noch nicht ausgeräumt", sagte Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). "Die Entlassung von Herrn Thomauske ist eine unternehmerische Entscheidung, der strukturelle Veränderungen folgen müssen." Vattenfall müsse technisches und menschliches Versagen in seinen Kernkraftwerken ausschließen, so Trauernicht. "Dafür ist das Unternehmen den Beweis noch schuldig." Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, müsse Krümmel vom Netz bleiben.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Personalentscheidung: "Das ist ein erster Schritt aus der Deckung." Der abgesetzte Thomauske sei Vertreter einer "Bunkermentalität" und habe kein Interesse an Aufklärung gehabt, sagte Gabriel. Er forderte, dass ältere Atomkraftwerke früher als geplant stillgelegt werden sollten.

Umweltverbände reagierten zurückhaltend auf Vattenfalls Entscheidung. "Der Austausch von Personen reicht nicht", sagte Renate Backhaus, Atomexpertin des BUND. "Das Problem bei Vattenfall ist die mangelhafte Sicherheitskultur." Auch Robin Wood erklärte, mit der Entlassung Thomauskes habe Vattenfall "ein erstes Sicherheitsrisiko endlich abgeschaltet", doch dies könne nur der erste Schritt sein. Nun müssten die Pannen-Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel unverzüglich stillgelegt werden.

Das fordert auch die Opposition: Grünen-Fraktionschefin Renate Künast verlangte, die Anträge auf Laufzeitverlängerung für müssten zurückgezogen werden. "Die ältesten Reaktoren müssen jetzt vom Netz." Der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Hans-Kurt Hill, forderte ein sofortiges Abschalten alter und kürzere Laufzeiten für neue AKWs. Und selbst FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach sich dafür aus, Krümmel dauerhaft abzuschalten - allerdings mit dem Ziel, das Image der Atomkraft zu retten.

Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, forderte Vattenfall unterdessen zu "vertrauensbildenden Maßnahmen" auf. So könne der Konzern seine angekündigte "offensivere Kommunikation" etwa unter Beweis stellen, indem er eine bisher geheime Schwachstellenliste für das AKW Brunsbüttel zur Veröffentlichung freigebe, sagte König im Deutschlandfunk. Bisher habe Vattenfall die Atomaufsicht juristisch daran gehindert, die Mängelliste offenzulegen. König betonte, eine verzögerte Informationspolitik wie in den vergangenen Wochen widerspreche den Sicherheitsanforderungen an die Betreiber. (mit AFP, AP)

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1 Kommentar

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  • VB
    Volker Bracht

    Während die "unabhängigen" Medien bereits in eingeübter Rhetorik an der Herunterspielung der Zwischenfälle in den AKW Brunsbüttel und Krümmel arbeiten, indirekt die Desinformation von Bevölkerung und Behörden unterstützen, der Präsident des Verbandes der deutschen Atomindustrie den Betreibern mit "scharfer Kritik" zu Hilfe eilt -selbstverständlich uneigennützig- und Vattenfall dem schleswig-holsteinischen für Atomenergie zuständigen Ministerium die Befragung von beteiligten Mitarbeitern verweigert, möchte ich in Erinnerung rufen, dass Vattenfall bereits bei den gefährlichen Beinahe-GAU's in deren AKW in Forsmark/Schweden die deutsche Bundesregierung 5 (fünf) Wochen lang nachweislich und vorsätzlich belogen hat: man hatte seitens Vattenfall abgestritten, dass die fehlerhafte Notabschaltungsanlage in Forsmark, die durch ihr Versagen fast (15 min deadline!!) eine Kernschmelze wie in Tschernobyl verursacht hätte, auch in den beiden jetzt havarierten AKW Brunsbüttel und Krümmel installiert sei. Dies stellte sich im nachhinein als glatte Lüge heraus. Herrn Thomauske zu feuern ist ein allzu durchschaubarer und billiger Schachzug.

    Ich möchte Frau Trauernicht ermutigen, Rückgrat zu beweisen und Vattenfall unwiderruflich die Lizenz zu entziehen, und diese nachweislich baufälligen AKWs nach mehreren Hundert Störfällen in den letzten Jahren abreißen zu lassen. Es wird sie zwar ihren Kopf kosten, aber sie hat jetzt die Möglichkeit, dem Merkelschen Schmusekurs mit der Atomlobby die rote Karte zu zeigen.

    Volker Bracht, Frankfurt am Main