Vater klagt gegen Berliner Schulbuch: Einer weiß es immer besser!
Ein Vater wollte sich mit dem Begriff „Invasion“ für die Landung der Alliierten in der Normandie 1944 nicht abfinden. Doch seine Klage scheitert vor Gericht.
Eltern können ganz schön peinlich sein. Wenn man früher immer die Erste war, die beim Kindergeburtstag abgeholt wurde, war das nicht lustig. Und peinlich berührt späht der eigene Sohn den Gehweg vorm Schultor entlang, dass auch hoffentlich keiner von den anderen Viertklässlern den – eigentlich schon lange verbotenen – Abschiedskuss gesehen hat, den seine Mutter ihm aufs Haar gedrückt hat. Vor dem Berliner Verwaltungsgericht testete nun ein Vater die Leidensfähigkeit seines 17-jährigen Sohns: Der Vater klagte, weil ihm das Geschichtsbuch nicht behagt, mit dem der Filius unterrichtet wird. Oh Mann, Papa!
Konkret stieß er sich an dem Wort „Invasion“. So wurde in dem Geschichtsbuch die Landung der Alliierten in Frankreich am 6. Juni 1944 bezeichnet. Der Vater sah darin eine „Verunglimpfung“ der alliierten Truppen als „Invasoren“. Doch das Gericht sah darin, wie es diese Woche bekannt gab, schlicht eine allgemein verwendete „Schilderung militärischer Vorgehensweisen“.
Zum Glück muss der Kreuzberger Oberschüler auch nicht damit rechnen, von Mitschülern für ein alternatives Geschichtsbuch verantwortlich gemacht zu werden, das Papa der Klasse am Ende gar noch selbst schreiben möchte. Die Richter wiesen die Klage des Mannes mit dem Verweis auf das Schul- wie auch das Grundgesetz ab. Denn weder hätten Eltern und Schüler ein Anrecht auf ein bestimmtes Unterrichtswerk, noch sei der Vater in seinem „Recht auf Erziehung“ beeinträchtigt worden.
Ein ganz und gar vernünftiges Urteil. Denn wer schon mal auf einem Elternabend war, weiß: Bei kaum einer gesellschaftlichen Gruppe ist die Lust an der Grundsatzdiskussion ausgeprägter als bei Eltern. Wenn sie können, streiten sie: über das Für und Wider von Buchschonern aus Plastik; über die Anzahl der Kuchen für den nächsten Kuchenbasar; über 5 oder 5.50 Euro für die Klassenkasse.
Über die korrekte Schullektüre dürfen sie zum Glück auch in Zukunft nicht diskutieren. Denn darauf wäre es ja hinaus gelaufen, wenn der Vater Recht bekommen hätte: Irgendwer findet, dass Luise aus Schillers Seifenoper „Kabale und Liebe“ eine hysterische, nervige Kuh ist (was zwar stimmt) und als Role-Model für die Frau von morgen nicht taugt (was aber ja nicht der Punkt ist) – und schwupps, schon klagt die Nächste.
Ganz besiegt ist der Vater indes noch nicht: Gegen das Urteil kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden. Herr General: Wir raten zum Rückzug!
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