piwik no script img

Väter in Vollzeit-ElternzeitEs geht um Jahre

Zwei Monate nimmt der durchschnittliche deutsche Vater Elternzeit. 14 Monate nimmt sich „Zeit“-Redakteur Stefan Schmitt für seine Drillinge.

Trainingslager Kind: Die Zeit mit dem eigenen Baby ist ein Privileg. Bild: gregepperson/photocase.com

Seit Mai bin ich in Elternzeit. „Viel Spaß im Von-der-Leyen-Urlaub“, hatte ein Freund gefrotzelt. „Warte doch damit, am Anfang braucht ein Kind sowieso nur die Mutter“, hatte ein Kollege geraten. „Und was ist mit deiner Stelle?“, fragte meine Oma.

Das Thema steckt voller Projektionen. Es ist politisch. Es geht nicht nur um ein paar Monate Auszeit, sondern sozusagen um das Gegenstück zur Forderung nach Frauenquoten. Es geht darum, ob Eltern sich die Familienarbeit fair teilen.

Tagsüber, wenn ich den Kinderwagen durch die Stadt schiebe, sehe ich Väter mit Babys, zumindest in den Vierteln, wo man es auch vermuten würde. Doch auch dort sehe ich mehr Mütter als Väter. Wir Männer sind die Ausnahme. Als Vater von Drillingen bin ich erst recht Exot.

Irritierte Blicke

Anders ist es, wenn meine Liebste dabei ist. Dann wird sie mitleidig gefragt: „Haben Sie denn irgendeine Hilfe?“ Ich werde geflissentlich übersehen. Die Physiotherapeutin will ihr die neuen Übungen für die Babys zeigen, nicht mir.

Wenn uns Fremde fragen, wie wir das schaffen mit drei Säuglingen, und ich dann antworte „Prima“ (oder auch mal: „Geht schon“), ernte ich irritierte Blicke, die mir zu bedeuten scheinen, ich hätte da ja sicher gut reden.

STEFAN SCHMITT

Der Autor ist stellvertretender Ressortleiter Wissen bei der Zeit. Gerade ist er zusammen mit seiner Frau in Elternzeit und kümmert sich um die Drillinge Jonathan, Ella und Linus.

Eigentlich schrieb er diesen Text für die Quotentaz vom 17./18. November, nun erscheint er an dieser Stelle. Schmitt träumt derzeit des Öfteren von einem Gedankenleser für Babyhirne.

Als einer der Jungs für eine Operation ins Krankenhaus musste, konnte ich nicht auf der Station mit den Elternbetten übernachten, weil da sonst nur Mütter waren. Väter als Besucher ja, aber als Babyzuständige, ganz selbstverständlich? Nein. Und das scheint weit übers Krankenhaus hinaus zu gelten.

Ich dachte, wir wären weiter. Waren nicht nach der Einführung des Elterngelds 2007 die Zeitungen voll von Erfahrungsberichten wickelnder Väter? Liest man nicht regelmäßig, sie nähmen vermehrt Elternzeit?

Nur eine Stippvisite

Im Juni veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine aktuelle Statistik zum Elterngeld, die zeigt: Für die meisten Väter ist die Auszeit bloß eine Stippvisite. Für jene zwei Monate nämlich, um die das Elterngeld länger gezahlt wird, wenn beide Partner eine Auszeit nehmen. Offiziell heißen die deshalb „Partnermonate“, umgangssprachlich nicht umsonst „Vätermonate“.

Denn gut drei Viertel aller pausierenden Väter beschränken sich auf ihre zwei Vätermonate. Da fallen die anderen kaum ins Gewicht, etwa jene Halbe-halbe-Väter, die sich mit ihren Partnerinnen die Elternzeit teilen. Noch weniger die paar, die länger oder gar alleine aussetzen.

„Das Geld vom Staat verschenke ich doch nicht“, das Standardargument für die Zweimonatspause funktioniert auch im konservativsten Umfeld. Aber man muss nicht lange herumhorchen: Eine längere Auszeit auch nur anzusprechen, trauen sich viele Männer nicht, Rechtsanspruch hin oder her. Sie fürchten den Karriereknick. Das ist nachvollziehbar, wenngleich Studien zufolge ein Vorurteil. Und der Knick betrifft Frauen natürlich genauso.

Wie lange kann, soll, will ich? Mir hat mein dreifaches Kinderglück diese Entscheidung abgenommen. Es war klar, dass ich für die Drillinge lange aussetzen würde, gemeinsam mit meiner Frau. Ganze 14 Monate fehle ich in der Redaktion, verpasse ich den Flurfunk, werde ich bei meiner Rückkehr wieder aufholen müssen.

Ein Privileg

Meine Babys durch ihr erstes Lebensjahr zu begleiten, ihnen auf die Beine zu helfen und sie in der Krippe einzugewöhnen – das empfinde ich als Privileg. Endlos könnte ich von Lachen, Staunen und kostbaren Momenten schwärmen. Jedem Freund würde ich raten: Lass dir das nicht entgehen! Auch weil ich spüre, dass ich für meine Kinder genauso Bezugsperson werde wie ihre Mutter – eine Gleichwertigkeit, die vielen Männern lange verwehrt blieb.

Gibt es ein schlagenderes Argument für eine lange Väterzeit? Andere mögen sich ein Jahr Sabbatical nehmen, um die Welt zu umsegeln oder nach Santiago de Compostela zu wandern. Für mich ist diese Expedition in die Säuglingswelt ein anstrengendes, großes Glück.

Aber es geht um mehr als 14 Monate, es geht um Jahre. Meine Liebste und ich wollen mit gleich schwerem Gepäck ins Berufsleben zurückkehren. Beide in Vollzeit, beide mit Ehrgeiz. Die gemeinsame Elternzeit ist unser Trainingslager. Indem wir uns die Babyarbeit teilen, gewinnen wir gleich viel Sicherheit und Routine.

Das scheint mir unerlässlich für die nahe Zukunft, wenn wir Kinder und Arbeit unter einen Hut bringen müssen. Damit keiner von uns beiden zurückstecken muss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • S
    steve7011

    "Damit keiner von uns beiden zurückstecken muss." - Da hat der Autor seine Kinder schon wieder vergessen. Die sind aber auch bald in der Krippe. Würde mich freuen, wenn mehr Menschen tatsächlich Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen statt nur einen Beitrag zu Rentenfinanzierung und Fachkräftemangel zu leisten.

  • KF
    Karla F.

    Danke für den Artikel! Wir brauchen mehr davon! Wenn ich (alleinerziehende Mutter einer 4-jährigen Tochter) morgens in den Buchladen gehe, fragen mich die Leute: "Na, wo ist Deine Kleine?... Oh wie schön, sie geht SCHON in den Kindergarten?" Ja, schon seit drei Jahren! Die meisten Menschen sind dann erstaunt. Dann denke ich, die haben überhaupt gar keine Ahnung, wie Familie und Beruf (auf dem Lande mit Halbtagsbetreuung) miteinander vereinbar ist. Dass der Vater sich nicht kümmert, wird meistens mit: "Oh wie schade für das Kind" in Kauf genommen. Und ich denke: Interessiert es jemanden, wie anstrengend es für denjenigen ist, der sich nicht verpisst hat?

     

    Insofern hat es mich positiv berührt, die Erlebnisse eines dreifachen Elternzeit-Vaters zu lesen, der es ernst meint und verstanden hat, dass die öffentliche Wahrnehmung zum Thema Kinderbetreuung noch reformiert werden sollte...

     

    Ich wünsche Familie Stefan Schmitt alles Gute!

  • U
    Uwe

    Ich musste immer erklären, warum ich den ganzen Tag zu Hause bin.

    Solange das erklärt werden muss, sind wir keinen Schritt weiter.

  • C
    Comment

    Wenn der Lebensstandard soweit gesichert ist, mag es auch mit der Vollzeitelternzeit für beide Elternteile klappen. Nur ist diese Darstellung nicht annähernd repräsentativ, was die Möglichkeiten betrifft, selbst wenn nur ein Kind im gemeinsamen Haushalt der Eltern lebt. Auch sind Väter betreffend Elternzeit häufig nicht frei in ihrer Entscheidung. Rollenverständnis ist zwar etwas, was von Männern zu überdenken gefordert ist (=Pflicht), weit seltener jedoch von Frauen (=Freiwilligkeit) und schon beinahe gar nicht von beiden Geschlechtern gemeinsam, partnerschaftlich vereinbart.

    Tatsächlich bleiben hier die Männer auf erschreckende Weise auf der Strecke, was in abgrundtief hässlicher Weise auch noch medial verwurstet wird, als Unterstellung, Väter würden sich einen Kehricht um Familienarbeit scheren, wie aktuell die Wiener Frauenstadträtin, Sandra Frauenberger, zu belegen versucht und hier nicht etwa Männer anspricht, sondern wie gehabt an Frauen adressiert: http://4waende4haende.at/about/

     

    Ich wünsche Stefan Schmitt eine schöne berufsfreie Zeit, mit den Kindern und seiner Frau. Mag er dieses Privileg in vollen Zügen genießen, beim Latte schlürfen hin und wieder die große Mehrzahl von Vätern ins Sichtfeld bekommen, die es zwar wollen aber nicht sollen (siehe Sorgerechtsdebatte), für Mutter und Kind/er gefälligst die Kohle beschaffen und denen ohnehin keine Karriere bevor steht.

  • R
    ReVolte

    "...eine Gleichwertigkeit, die vielen Männern lange verwehrt blieb."

     

    Blieb? Männer sind familienrechtlich nicht gleichwertig. Siehe Sorgerecht unverheirateter Eltern. Dieser Aufruf betrifft den morgigen Tag:

     

    "Liebe Mitglieder des Bundesvereins "Väteraufbruch für Kinder",

     

    wir brauchen dringend Eure Hilfe und Unterstützung. Wer kann am kommenden Mittwoch mit nach Berlin kommen? An diesem Tag hört der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Experten zur Reform des Sorgerechts an. Neben diversen Experten ist auch der Verein alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) geladen, der dieser Reform bekanntermaßen sehr kritisch gegenüber steht. Ein Vertreter eines Väterverbandes wurde trotz mehrfacher Nachfrage und Bitte nicht geladen.

     

    Wir werden den Politikern und der Presse zeigen, dass die Väterverbände lediglich Zaungäste bei der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages sein dürfen. Das lässt darauf schließen, dass Väter weiterhin Zaungäste beim Sorgerecht bleiben werden. Darum wollen wir kurzfristig an dieser Anhörung mit unseren T-Shirts "Väteraufbruch für Kinder - Allen Kindern beide Eltern" teilnehmen."

  • FW
    Frank Winter

    Ich finde den Artikel ebenso wichtig wie die Entscheidung von Ihnen, Stefan Schmitt. Gerade Väter, die sich tatsächlich mit ihrer Partnerin die Babypflege und Hausarbeit fifty-fifty teilen, können eigentlich gar nicht genug darüber schreiben. Es IST anstrengend, mit dem eigenen Kind rund um die Uhr zusammenzuleben und es gebührend zu versorgen, und es ist wunderbar. Auch ich würde jedem frischgebackenem Freundesvater empfehlen, eine lange Elternzeit zu nehmen und zu erfahren, dass man fürs Baby schon wenige Wochen nach Geburt genau so wichtig wird wie die Mutter.

     

    Frank Winter, seit Geburt seiner Tochter im Juni 2012 für zwölf Monate in Elternzeit

     

    Siehe auch meinen jüngst begonnenen Windelblog auf:

    www.maennerzeitung.ch

  • T
    tommy

    Widerlich sentimentaler und inhaltsleerer Artikel großbürgerlicher Prägung, aber von einem Zeit-Journalisten ist ja auch nichts anderes zu erwarten.

  • E
    Escobar

    ganz schöner Text, dennoch fordere ich das Schreibverbot für Journalisten in Elternzeit. Schließlich sollen sie sich um ihre Kinder kümmern und nicht über sie berichten. Fällt schwer, weiß ich aus eigener Erfahrung.

  • IN
    Ihr N

    toller artikel, danke!

  • F
    frage

    ich dachte, wenn beide ganz zuhause bleiben, gäbe es nur 7 Monate kohle.

     

    bitte um erklärung.