VERSUCHTE TÖTUNG: Ausraster auf dem Wochenmarkt
Ein 55-Jähriger fühlte sich wegen der Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung in seiner Ehre verletzt - und griff seine Ex-Lebensgefährtin mit einem Messer an .
"Ich gestehe die Tat, für die es keine Entschuldigung gibt." Hasan A. bekundet in seinem Geständnis am Dienstag zum Prozessauftakt vorm Landgericht Reue. Der 55-jährige Türke hatte am 13. November vorigen Jahres auf seine 39-jährige Ex-Lebensgefährtin Fahma C. mit seinem Butterfly-Messer achtmal eingestochen und sie beinahe getötet. Er fühlte sich wegen seiner gerichtlichen Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung in der Ehre verletzt. Das Gericht muss nun klären: Versuchter Mord aus niederen Beweggründen, wie es Staatsanwalt Boris Bochnick nennt? Oder versuchter Totschlag im Affekt, wovon Verteidiger Udo Jacob ausgeht?
Hasan A. und Fahma C. leben seit 21 Jahre zusammen. Sie haben eine gemeinsame Tochter und einen Sohn. Der Beziehungs-Stress hat nach Angaben von A. im Sommer 2009 begonnen, als er mit seinen beiden Kindern der "Hamburger Familie", wie er sie nennt, in der Türkei Urlaub machte, um seine "türkische Familie" zu besuchen - seine zweite Frau, mit der er fünf Kinder hat. "Die Kinder sollten ihre Halbschwestern kennen lernen", sagt der 55-Jährige, der mit seinem grauen Vollbart älter wirkt.
Auf der Fahrt dorthin habe er einen schweren Unfall verursacht, so A., der den Urlaub überschattet habe - auch, weil Fahma C. den Besuch deutlich missbilligt und ihm wegen des Unfalls am Telefon schwere Vorwürfe gemacht habe.
Zurück in Hamburg, sei die Lage eskaliert. "Wir hatten heftig Streit", gibt A. vor Gericht an. C. behauptet im Herbst 2009 gegenüber dem Familiengericht, dass A. sie mit einem Messer bedroht, mehrfach geschlagen und gewürgt habe. "Der Mann ist unberechenbar", gab sie damals zu Protokoll und erwirkte nach dem Gewaltschutzgesetz eine Verfügung, nach der A. die gemeinsame Wohnung in der Neuenfelder Straße verlassen musste.
"Verschwinde, du Ehrloser", habe sie ihn beschimpft und habe zum Rauswurf die Polizei eingeschaltet. "Ich musste mich wie ein Hund vor die Tür setzen lassen und meine Tochter hat mich verstoßen", berichtet A. "Das war eine große Demütigung und Schande." Er habe an Selbstmord gedacht, war in psychiatrischer Behandlung.
Am Tattag habe A. dann C. mittags zufällig vorm Penny-Markt in Wilhelmsburg getroffen. "Sie hatte ein hämisch verachtendes Lächeln, als sie mich anschaute", sagt A. "Ich verlor die Besinnung." Er sei ihr zum Wochenmarkt auf dem Bertha-Kröger- Platz hinterhergerannt. "Ich war außer mir, wollte sie schlagen, hatte aber plötzlich mein Messer in der Hand", sagt er. "Ich tickte völlig aus." Sechsmal stach er der völlig wehr- und ahnungslosen Fahma C. in den Rücken, als sie zusammensackte noch zweimal in den Bauch und in die Seite, bevor er von mutigen Passanten überwältigt wurde. Fahma C. überlebte nach einer Notoperation, hat aber bis heute mit körperlichen und seelischen Folgen der Messerattacke zu kämpfen.
In Briefen an C. aus der Untersuchungshaft hatte sich Hasan A. für die Tat entschuldigt, an die er sich nicht erinnern könne, und seine Liebe beteuert. Für Anwalt Jacob muss im Prozess nun geklärt werden, ob der kulturelle Hintergrund und die eingenommenen Antidepressiva die Steuerungs- und Schuldfähigkeit beeinflusst haben.
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