Usbekistan: Amtszeit abgelaufen, nichts passiert
Präsident Islam Karimow ist eigentlich gar nicht mehr Staatschef. Doch von Neuwahlen ist nicht die Rede.
Der Basarhändler Dschachongir Schosalimow hat viel vor. Er will usbekischer Präsident werden. Wochentags verkauft der 53jährige Usbeke auf dem Tschorsu-Basar in Taschkent Schnürsenkenkel, Sicherheitsklammern und Knöpfe. "Die Amtszeit des usbekischen Präsidenten Islam Karimow ist am 22. Januar 2007 abgelaufen", sagte der Händler, " daher will ich kandidieren." Drei weitere Menschenrechtler des zentralasiatischen Staates haben den Hut ebenfalls in den Ring geworfen. Deren Kandidatur bleibt jedoch ein ohnmächtiger Protest, denn die Macht in Usbekistan will von Wahlen nichts wissen.
Dabei ist Karimows Amtszeit seit knapp einem halbes Jahr abgelaufen, doch in dem bevölkerungsreichsten Land zwischen kaspischen Meer und chinesischer Grenze sind keinerlei Wahlvorbereitungen zu beobachten. Nach der Verfassung dürfte der usbekische Potentat nicht ein drittes Mal kandidieren.
Im Mai hat der kasachischer Kollege Nursultan Nasarbajew vorgemacht, wie man diesen Vorbehalt innerhalb von einer halben Stunde mit Hilfe eines hörigen Parlaments beseitigen und sich eine lebenslängliche Amtszeit sichern kann.
Die Parlamentssitzung in der usbekischen Hauptstadt Taschkent am 30. Juni liess der usbekische Potentat jedoch verstreichen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Ende Dezember muss nach der usbekischen Verfassung gewählt werden, fast ein Jahr nach Ende der Amtszeit. Die Medien und die Regierungstellen in der zentralasiatischen Diktatur ignorieren das Thema vollständig.
Dabei ist Karimow nach Meinung des Hamburger Verfassungsrechtler Ulirch Karpen "nur noch geschäftsführend im Amt". Am 22. Januar 2000 hat Karimow vor dem usbekischen Parlament den Eid abgelegt, mit diesem Tag begann die siebenjährige Amtszeit. Es sei einmalig, dass eine Verfassung die Wahlen nicht vor, sondern erst nach Ablauf der Amtszeit ansetze. "Der Präsident erhält dadurch eine hinkende Legitimität", sagte Karpen. Die EU hatte im Oktober 2005 gegen das Land Sanktionen beschlossen und diese im Mai 2007 verlängert. Die Strafmassnahmen, die ein Einreiseverbot für hohe Regierungsmitglieder und ein Waffenembargo vorsehen, wurden in Brüssel gegen Usbekistan nach dem Massaker von Andischan verhängt. Im Mai 2005 hatte Karimow einen Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt blutig zusammenschießen lassen.
Das usbekische Präsidentenamt und Außenministerium verweigern auf Anfrage der TAZ jeglichen Kommentar. Im Wahlkalender der OSZE ist der 23. Dezember 2007 als Wahltermin bereits eingetragen, jedoch gibt es noch keine offizielle Bestätigung aus Taschkent.
In Zentralasien und besonders in Usbekistan haben sich die Mächtigen nie um demokratische Wahlen bemüht. Mit offensichtlichen Wahlfälschungen hat sich Karimow 1991 gegen den damaligen Herausfordere Mohammad Solich den ersten Wahlsieg gesichert. 1995 hat ein Referendum die nächste Präsidentschaftswahl auf das Jahr 2000 verlegt. Diese gewann Karimow mit über 90 Prozent gegen einen Sparringspartner, der am damaligen Wahltag erklärte, ebenfalls für Karimow gestimmt zu haben. Im Jahre 2002 verlängerte ein erneutes Referendum die fünfjährge Regierungsvollmacht des usbekischen Präsidenten um weitere zwei Jahre.
Diese Zeit ist nun abgelaufen. Doch wer sollte dem 69 jährigen Diktator nachfolgen und vor allem wem könnte Karimow trauen, sollte er nicht bis zur Totenbahre regieren wollen? Der Tochter des Präsidenten, Gulnara Karimowa, werden Ambitionen nachgesagt. Die 34jährige Usbekin hat sich bisher als ruppige Geschäftsfrau, Organisatorin von aufwendigen Modeshows und Sängerin in einem Vidoclip und Dichterin hervorgetan. Internationale Beobachter bezweifeln jedoch, dass es der usbekischen Variante von Paris Hilton gelingen könnte, das väterliche Erbe anzutreten.
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