piwik no script img

Urteil zum „Sinterklaas“-FestRassismus abschminken

Seit Jahren wird in den Niederlanden gestritten, ob der Nikolaus-Helfer „Zwarte Piet“ eine rassistische Karikatur ist. Ein Gericht urteilte nun: Er ist es.

„Negative Stereotypisierung“: Künftig wird Piet wohl bunt geschminkt sein Bild: dpa

AMSTERDAM dpa | Dem niederländischen Nikolaus geht es an den Kragen. Wenn er nicht schleunigst seine Helfer anders kostümiert, dann diskriminiert er. Denn jetzt sind seine Schwarzen Pieten eine rassistische Karikatur. Das NL:RBAMS:2014:3888:urteilte am Donnerstag das Verwaltungsgericht in Amsterdam. Nach jahrelangem Streit ist es nun amtlich. Zum ersten Mal bestätigt ein Richter den Rassismus-Vorwurf vieler schwarzer Niederländer.

„Ein historischer Beschluss“, so jubelten die Kläger noch im Gerichtssaal. „Das ist eine Erlösung. Ich bin so froh“, sagte Barryl Biekman, der Vorsitzende der Plattform Sklavereigeschichte.

Jedes Jahr im November kommt der Nikolaus, der „Sinterklaas“, mit einem Dampfschiff in den Niederlanden an. Nach der Legende bringt er am 5. Dezember den Kindern die Geschenke. Wer kann schon etwas gegen ein unschuldiges Kinderfest haben? Das Problem sind die Helfer des heiligen Mann: Die lustigen „Zwarte Pieten“ mit rot geschminkten dicken Lippen, großen goldenen Ohrringen, bunten Fantasiekostümen, Federn an der Kappe und rabenschwarz angemalt.

Genau gegen diese stereotype Figur protestierten viele schwarze Niederländer im vergangenen Jahr. Unterstützt wurden sie sogar von einem UN-Rassismusausschuss. Deren Vorsitzende, Verene Shepherd, sprach von einer „Rückkehr zur Sklaverei“. Eine Welle der Proteste überspülte daraufhin das Land. Über zwei Millionen Niederländer forderten in einer „Pietition“ den Erhalt der Tradition. Es gab Demonstrationen, Bedrohungen, Beschimpfungen.

Symbol für Alltagsrassismus

Dabei will keiner das Fest abschaffen und den Kindern die Freude verderben. Doch für viele schwarze Niederländer ist Piet längst ein Symbol für den alltäglichen Rassismus geworden: Auf dem Arbeitsmarkt, vor der Disko, durch die Polizei, im Alltag. Die UN-Beraterin Shepherd ist ausgerechnet in dieser Woche in den Niederlanden, um die Lage der Schwarzen zu untersuchen. Die Zwarte-Piet-Tradition gehört dazu.

Formal ging es bei diesem Prozess nur um die Genehmigung des Einzuges des Nikolauses. Die war nicht rechtens. Wenn so viele Bürger dies als rassistisch empfinden, so das Gericht, hätte der Bürgermeister prüfen müssen, ob die Tradition nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße.

Das Gericht beruft sich auf Aussagen des nationalen Menschenrechtsausschusses. Auch der hatte kürzlich festgestellt, dass Piet eine rassistische Karikatur ist. „Die Figur des Zwarte Piet (dicke rote Lippen, dumm, Knecht) stellt eine negative Stereotypisierung des schwarzen Menschen dar“, urteilte daher das Gericht.

Blau, rot, gelb und grün statt schwarz

Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Denn Zwarte Piet ist nicht verboten. Doch eins scheint nun deutlich: Die Tradition wird sich ändern. „Sinterklaas muss ein Kinderfest bleiben“, sagte auch Sozialminister Lodewijk Asscher in Den Haag. Aber es müsse verändert werden.

Den Helfern steht eine radikale Änderung bevor. Kraushaarperücke und Ohrringe können in den Mülleimer. Und das Schwarz kann er sich abschminken. Amsterdamer können sich bereits seelisch darauf vorbereiten: In knapp fünf Monaten können blaue, rote, gelbe und grüne Pieten durch die Grachten ziehen. Ein kleiner Trost für ganz eingefleischte Pieten-Fans: Warum nicht ein Oranje-Piet?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Da bin ich aber auf den Dezember gespannt, ob da wirklich "blaue, rote, gelbe und grüne Pieten durch die Grachten ziehen".