Urteil zu illegaler Gewahrsamnahme: Schmerzensgeld für Castor-Gegner

Beim Anti-Castor-Protest 2011 nahm die Polizei fast 1.500 Menschen in Gewahrsam – ohne einen Richter einzuschalten. Laut Verfassungsgericht ist das illegal.

Menschen sitzen auf Schienen und essen Suppe

Wer blieb, kam illegal in Gewahrsam: Anti-Castor-Protest 2011 Foto: reuters

Karlsruhe/Gorleben epd | Halten sich Demonstranten rechtswidrig bei einer Blockade auf Bahngleisen auf, darf die Polizei sie deshalb nicht ohne Einschalten eines Richters in Gewahrsam nehmen. Andernfalls könne für den Freiheitsentzug ein Schmerzensgeld fällig werden, entschied das Bundesverfassungsgericht. Damit muss das Landgericht Lüneburg neu über ein mögliches Schmerzensgeld für einen Castor-Gegner entscheiden. (AZ: 1 BvR 171/15)

Hintergrund des Rechtsstreits war ein Atommüll-Transport nach Gorleben. Zahlreiche Castor-Gegner hatten in der Nacht zum 27. November 2011 Bahngleise zwischen Lüneburg und Dannenberg blockiert. Die Polizei hatte zuvor ein Versammlungsverbot für den Bereich der Bahngleise erlassen. Dennoch hielten sich dort rund 3.000 Demonstranten auf.

1.346 Menschen blieben auch dann noch auf den Gleisen, nachdem die Polizei die Versammlungsteilnehmer zum Verlassen aufgefordert hatte. Sie wurden daraufhin auf einem Feld in Gewahrsam genommen. Das Niedersächsische Versammlungsgesetz sieht vor, dass „unverzüglich“ ein Richter die Freiheitsentziehung genehmigt. Doch die Polizei schaltete weder einen Richter ein, noch bemühte sie sich darum.

Der Beschwerdeführer rügte, dass seine Versammlungsfreiheit und sein Recht auf Freiheit mit dem achtstündigen Freiheitsentzug verletzt wurden. Das Landgericht lehnte einen Schmerzensgeldanspruch jedoch ab, da sich der Castor-Gegner rechtswidrig auf den Bahngleisen befunden habe. Doch darauf komme es für den Schmerzensgeldanspruch nicht an, befand das Bundesverfassungsgericht. Entscheidend sei, dass die Polizei rechtswidrig gehandelt habe, indem sie keinen Richter kontaktierte. Das könne eine Schmerzensgeldzahlung begründen. Das Landgericht müsse den Fall daher erneut prüfen.

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